Innovative Forschung ermöglicht mehr Flächen für Windenergie an Land

Funknavigationsanlagen, Wetterradare und Windkraftanlagen dürfen künftig näher zusammen stehen. Darauf haben sich Verkehrsministerium und Wirtschaftsministerium Anfang April geeinigt. Eine Grundlage dafür sind Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt WERAN plus.

Oktokopter mit Messplattform© PTB

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) haben sich Anfang April auf ein umfassendes Maßnahmenpaket im Bereich Drehfunkfeuer und Wetterradare geeinigt. Es modernisiert bestehende Regeln und nutzt neue Prognosemethoden bei Funknavigation und Drehfunkfeuern, mit denen sich der bisher vorgeschriebene Abstand zu Windkraftanlagen um die Hälfte reduzieren lässt. Damit stehen kurzfristig mehr Flächen für die Windenergienutzung an Land zur Verfügung.

Bundesminister Robert Habeck sagte dazu: „Mit dem gemeinsam beschlossenen Maßnahmenpaket können wir zusätzliche Potenziale im Umfang von rund fünf Gigawatt zusätzlicher Windenergieleistung erschließen. Das entspricht bei vier bis fünf Megawatt pro Neuanlage mehr als 1.000 neuen Windenergieanlagen.“ Eine der Grundlagen für die Reduzierung der Abstände ist ein Vorschlag aus dem Forschungsprojekt WERAN plus, das den Einfluss von Windenergieanlagen auf Navigationsanlagen der Luftfahrt untersucht.

Der Hintergrund: Drehfunkfeuer (engl. VOR) sind Navigationsanlagen für den Luftverkehr. Sie senden ein spezielles Funksignal aus, das einem Empfänger im Flugzeug die Richtung zum Funkfeuer zeigt. Doppler-Drehfunkfeuer sind noch genauer aber auch größer und aufwendiger konstruiert als Standard-Drehfunkfeuer. Rund 40 solcher Doppler-Drehfunkfeuer gibt es derzeit in Deutschland. Ihr sogenannter Anlagenschutzbereich lag bisher bei einem Radius von 15 Kilometern. Innerhalb dieser Fläche müssen Bauanträge für neue Windenergieanlagen gründlich geprüft werden, damit der sichere Flugverkehr jederzeit gewährleistet ist. Funksignale dürfen nicht gestört werden. Im Zweifel bedeutete das in Schutzbereichen bisher ein „Nein“ zu neuen Windenergieanlagen. Durch innovative Messtechnik und neue Simulationsmethoden lassen sich die Wechselwirkungen zwischen Doppler-Drehfunkfeuern und Windenergieanlagen nun viel genauer bestimmen.

Schon ein Radius von nur sechs bis sieben Kilometern ist sicher

Mit ihren Erkenntnissen aus den Forschungsprojekten WERAN und WERAN plus haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt bewiesen: Für die Sicherheit des Flugverkehrs reicht es, innerhalb eines Radius von sechs bis sieben Kilometern zu prüfen. Der freiwerdende Platz rund um die Drehfunkfeuer sei darüber hinaus besonders wertvoll, da die Windenergieanlagen genau wie Funksignale „freie Sicht“ für die ausreichende Windnutzung benötigen.

Die Forschenden der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) haben präzise Vor-Ort-Messtechnik entwickelt und können den Weg der Funksignale zusätzlich auf einem Großrechner simulieren. Das daraus entstandene Prognoseverfahren funktioniert auch auf einem normalen Büro-PC und sagt die Wechselwirkung zwischen Drehfunkfeuern und Windenergieanlagen oder einem Windpark präzise voraus. Dabei spielen auch andere sogenannte Störer wie Gebäude, Bäume oder Hochspannungsanlagen eine wichtige Rolle, die Funksignale reflektieren oder ablenken können. Um all das genau erfassen zu können, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein neues Verfahren entwickelt – die sogenannte Doppler-Kreuzpeilung.

Mit ihrer Hilfe erfassen sie den Ort der jeweiligen Störer und die Intensität, mit der ein bestimmtes Objekt Funksignale reflektiert. Die so identifizierten Objekte können dann auf einer Karte lokalisiert werden. Aus den Messdaten entsteht eine komplette „Clutter-Map“ („Karte der Unordnung“), auf der die Störungen sichtbar sind. Neue Windenergieanlagen können auf einer solchen Karte lokal eingetragen werden. So zeigt sich, wie neu beantragte Windenergieanlagen in die Umgebung passen. Eventuelle Störungen der Funksignale von Drehfunkfeuern können genau vorhergesagt werden.

Die Sicherheit des Flugbetriebs werde sogar erhöht, weil die Clutter-Map sämtliche Hindernisse wie beispielsweise Gebäude, Vegetation und Hochspannungsleitungen miteinbezieht, erklärt Professor Dr. Thorsten Schrader, Direktor der PTB. Für ihn sei immer maßgeblich gewesen, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Windenergie und der Flugsicherung auf der Basis von Zahlen, Daten und Fakten zu gewährleisten. Mit den vorliegenden Untersuchungsergebnissen lässt sich der Windenergieausbau im Umfeld von Drehfunkfeuern auch ohne Einschränkungen der Flugsicherheit ermöglichen.