Ein Jahr Nationale Wasserstoffstrategie

Was wir für eine gelungene Wasserstoffzukunft brauchen, steht maßnahmengenau in der Nationalen Wasserstoffstrategie. Doch wie sieht´s eigentlich mit der Umsetzung aus?

Fünf Hände, die Puzzeteile in den Himmel strecken© Adobe Stock / Khunatorn

Deutschland will weg von fossilen Energieträgern, hin zu erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz. Als besonders vielfältig einsetzbarer Energieträger soll Wasserstoff dabei eine Schlüsselrolle einnehmen, auch bei der Erreichung der nationalen, europäischen und internationalen Energie- und Klimaziele. Denn klimafreundlich hergestellt kann grüner Wasserstoff helfen, CO2-Emissionen vor allem dort deutlich zu verringern, wo Energieeffizienz und die direkte Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien nicht ausreichen - etwa in der Industrie und in bestimmten Teilen des Verkehrssektors. Mit dem Aufbau der Innovations- und Technologiezentren Wasserstoff werden der Aufbau einer eigenen Brennstoffzellenproduktion und Zukunftsperspektiven für die deutsche Fahrzeugindustrie unterstützt. Zugleich sind Wasserstofftechnologien eine wichtige Chance für die deutsche Exportwirtschaft.

Bauanleitung für eine erfolgreiche Wasserstoffzukunft

Die Bauanleitung für eine solche erfolgreiche Wasserstoffzukunft steht in der im Juni 2020 von der Bundesregierung beschlossenen Nationalen Wasserstoffstrategie – und zwar Schritt für Schritt und Maßnahme für Maßnahme. Keine leichte Aufgabe, denn die notwendigen Rahmenbedingungen für einen ganz „neuen“ Markt müssen geschaffen werden. Dafür sollen alle Teile der Wertschöpfungskette (Erzeugung, Transport und Anwendung) aufgebaut und deren Wirtschaftlichkeit gesichert werden.

Wichtig ist dabei auch der Blick über die Landesgrenzen. Denn Deutschland wird auch zukünftig auf Energieimporte angewiesen sein, da grüner Wasserstoff riesige Mengen an erneuerbaren Energien benötigt. Die Voraussetzungen für die Produktion sind in vielen Ländern des Südens gut – zum Beispiel in Nordafrika oder Brasilien. In spätestens fünf Jahren soll die Wasserstoffproduktion dort im industriellen Umfang zu starten.

Gut ein Jahr nach dem Start hat die Bundesregierung jetzt eine erste positive Bilanz der Nationalen Wasserstoffstrategie gezogen. Wie steht es um die Umsetzung der insgesamt 38 nationalen und internationalen Maßnahmen? Ein Ende September 2021 im Kabinett verabschiedeter Zwischenbericht beschreibt und bewertet den Umsetzungsstand jeder einzelnen Maßnahme.

62 Wasserstoff-Großprojekte für eine europäische Wasserstoffwirtschaft

Als eine der wichtigsten Maßnahmen der Wasserstoffstrategie gelten die Großprojekte im Rahmen des gemeinsamen europäischen Wasserstoffprojekts IPCEI („Important Projects of Common European Interest“, zu Deutsch: „Wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse"). Die geförderten Projekte beschäftigen sich mit der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette - von der Erzeugung, über den Transport bis hin zu Anwendungen - vor allem in der Industrie und im Bereich Mobilität. Im Mai 2021 erfolgte die Vorauswahl von 62 Wasserstoff-Projekten. Mehr als acht Milliarden Euro stehen zur Verfügung, davon rund zwei Milliarden für die Stahlindustrie. Insgesamt sollen allein in Deutschland Investitionen in Höhe von 33 Milliarden Euro ausgelöst werden. IPCEI Wasserstoff ist damit das bislang größte europäische Projekt dieser Art. Die verschiedenen nationalen Projekte sollen so miteinander vernetzt werden, dass alle Länder voneinander profitieren (sogenannte „Spill-over-Effekte“) und gemeinsam eine europäische Wasserstoffwirtschaft aufgebaut werden kann.

Aufbau der Wasserstoffnetze voranbringen

Neben der Förderung sind auch passende energiepolitische Rahmenbedingungen wichtig für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in allen Bereichen. Eine im Juli 2021 in Kraft getretene Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) schafft Grundlagen für einen zügigen und rechtssicheren Einstieg in den schrittweisen Aufbau von reinen Wasserstoffnetzen. Dieser Aufbau soll durch eine freiwillige Regulierung begleitet werden. Die Entscheidung über die Teilnahme daran treffen die Betreiber von Wasserstoffnetzen. Diese haben nun die Möglichkeit, sich durch Abgabe einer sogenannten „Opt-In-Erklärung“ regulieren zu lassen. Im Gesetz sind unter anderem Regelungen zu Grundsätzen von Netzzugang und Netzentgelten sowie zur Umstellung auch bestehender Erdgasleitungen auf reinen Wasserstoff enthalten.

Der vom Kabinett am 22.09.2021 beschlossene Entwurf einer Wasserstoffnetzentgeltverordnung soll diesen Rahmen weiter konkretisieren, indem Regelungen zur Kalkulation der Netzkosten getroffen werden. Der Entwurf enthält zudem Grundsätze, wie diese Netzkosten dann auf die Netzentgelte umgelegt werden sollen, um perspektivisch Investitionskosten refinanzieren zu können. Die Wasserstoffnetzentgeltverordnung soll so Investoren in die Wasserstoffnetzinfrastruktur die notwendige Planungs- und Investitionssicherheit geben. Die Länder müssen dem Vorschlag der Bundesregierung noch zustimmen, damit die Regelungen in Kraft treten können.

Befreiung der Produktion von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage

Geprüft werden sollte im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie auch, ob die Herstellung von grünem Wasserstoff weitgehend von Steuern, Abgaben und Umlagen befreit werden kann. Ziel war insbesondere die Befreiung der Produktion von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage unter bestimmten Voraussetzungen. Dafür muss der Stromverbrauch zur Herstellung von grünem Wasserstoff zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Die Umlagebefreiung soll einen Anreiz für die Produktion von grünem Wasserstoff setzen und so den Markthochlauf beschleunigen. Wichtig: Die Regelungen stehen unter dem Vorbehalt der sogenannten beihilferechtlichen Genehmigung durch die EU-Kommission.

H2Global: Neues Förderinstrument für Wasserstoffallianz mit Partnerländern

Auch international will Deutschland im Rahmen einer Wasserstoffallianz mit Partnerländern die Wasserstoffproduktion voranbringen. Mit dem Förderinstrument „H2Global“ können grüner Wasserstoff oder Derivate im Ausland mit langfristigen Verträgen angekauft und in Deutschland über jährliche Auktionen wiederverkauft werden. Das BMWi unterstützt das Instrument mit rund 900 Millionen Euro, um so zeitlich befristet die Differenz zwischen dem Ankaufspreis der Wasserstoffderivate und dem Verkaufspreis im Inland auszugleichen und einen Anreiz für den Markthochlauf zu schaffen. Erste Ausschreibungen sollen bald erfolgen.

Der Zwischenbericht zur Nationalen Wasserstoffstrategie und zum Stand aller 38 Maßnahmen ist hier zu finden. Ein ausführlicher Monitoring-Bericht soll 2022 folgen.