0,25 Meilen unter dem Meer

Bis zu 410 Meter tief unter der rauen Nordsee verbindet die längste Stromkabelseeverbindung der Welt auf 516 Kilometern das deutsche und norwegische Stromnetz auf einmalige Weise.

Die Ehrengäste halten den Buzzer gedrückt© BMWi Susanne Erkisson

Zehn Sekunden lang sollen die Ehrengäste den Buzzer mindestens drücken, bittet der Moderator. Zehn Sekunden, vor denen drei Jahre Bauzeit lagen. Drei Jahre, in denen das „grüne“ Kabel insgesamt 623 Kilometer vom schleswig-holsteinischen Wilster nahe Brunsbüttel in Wald und Wiesen, über Stock und Stein, durch Fjorde und Berge verlegt werden musste - bis es schließlich am Umspannwerk im norwegischen Tonstad ankam. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die norwegische Premierministerin Erna Solberg, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, die norwegische Energieministerin Tina Bru, sowie Vertreter der Netzbetreiber beider Länder und der KfW-Bank drücken am 27. Mai 2021 fleißig die Buzzer, dann ist die NordLink-Interkonnektor-Route offiziell in Betrieb. Sie verbindet zwei, die sich perfekt ergänzen: norwegische Wasserkraft und deutsche Windkraft.

Gleichstromautobahn für die perfekte Balance

Über die NordLink-Gleichstromautobahn ohne „Abfahrt“ wollen beide Länder künftig die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien optimal miteinander kombinieren, indem sie nicht benötigten Strom aus erneuerbaren Energien austauschen und so Versorgungssicherheit schaffen. Aufgrund der Streckenlänge und der großen Übertragungsleistung wird zur verlustarmen Übertragung Gleichstromtechnik verwendet. Die beiden Kabel (Plus- und Minuspol) sind mit den Konverterstationen an jedem Ende verbunden. In diesen Stationen wird der Strom von Gleich- in Drehstrom (beziehungsweise umgekehrt, je nach Übertragungsrichtung) umgewandelt und in das deutsche oder norwegische Drehstrom-Übertragungsnetz eingespeist. Betrieben wird die Verbindung vom deutsch-niederländischen Netzbetreiber Tennet, der deutschen Staatsbank KfW und dem norwegischen Netzbetreiber Stattnett.

Über das Kabel mit einer Übertragungskapazität von 1.400 Megawatt kann Deutschland in Zeiten hohen Windangebots preiswerte Windenergie nach Norwegen leiten. Dort wird sie am Markt angeboten oder in Wasserreservoiren zwischengespeichert. Norwegen kann im Gegenzug in Zeiten mit geringer Wind- oder Photovoltaik-Einspeisung Strom aus Wasserkraftwerken ins deutsche Stromnetz leiten. So entsteht eine perfekte Balance zwischen der flexibel nutzbaren Wasserkraft und der wind- und sonnenabhängigen Energie, deren Einspeisung ins Netz je nach Wetterlage schwanken kann. Auch der Strompreis in Deutschland könnte dadurch sinken, denn in Spitzenzeiten werden durch den Austausch Nachfrage und Angebot besser ausgeglichen. Die neue Verbindung gilt auch deshalb als wichtiger Schritt für das Zusammenwachsen der Energieversorgung in Europa, sowie für mehr Klimaschutz und mehr Nachhaltigkeit auch für kommende Generationen.

Versorgungssicherheit und Energieversorgung in Europa wachsen zusammen

Die Bedeutung als internationales Leuchtturmprojekt machte auch Bundeswirtschaftsminister Altmaier zum Start des Interkonnektors klar: „Nordlink verdeutlicht die große Bedeutung des Stromnetzes für die Energiewende und verkörpert eine hervorragende länderübergreifende Zusammenarbeit zwischen Norwegen und Deutschland. NordLink ist ein echtes Gemeinschaftsprojekt. Deutschland und Norwegen – das ist ein Musterbeispiel, weit über Europa hinaus.“ Es sei ein wichtiger Schritt für das Zusammenwachsen und die Sicherheit der Energieversorgung in Europa wie auch für mehr Klimaschutz und mehr Nachhaltigkeit – auch für viele Generationen danach.

Damit klimafreundlicher und zugleich preiswerter Strom aus Norwegen in unsere großen Verbrauchszentren gelangen kann, müssen die Stromnetze in Deutschland dennoch weiter ausgebaut werden. „Das ist eine Herausforderung“, sagte Altmaier. „Aber wir kommen voran, Stück für Stück“.

Schon seit Langem ist Norwegen im Gas- und Ölbereich ein wichtiger Partner für Deutschland. Mit NordLink ist jetzt auch die Zusammenarbeit im Strombereich erfolgreich gestartet. Das vor dem Start selbst in Fachkreisen als „ambitioniert“ und teils auch „kühn“ beschriebene Projekt konnte innerhalb der veranschlagten Zeit und im Wesentlichen innerhalb des Kostenrahmens abgeschlossen werden. Mehr als 3,6 Millionen Haushalte können über NordLink mit grünem Strom versorgt werden.