Neuartige Kühlakkus für einen sicheren Impfstofftransport

Auf dem Weg vom Hersteller zum Einsatzort müssen Covid-19-Impfstoffe zuverlässig gekühlt werden. Das Forschungsprojekt coCO2vac entwickelt Kühlakkus für Temperaturen um minus 70 Grad Celsius, um auf energieintensives Trockeneis verzichten zu können.

va-Q-tec AG KühlakkuSpeziell gekühlter Transportcontainer für Covid-19-Impfstoffe (© va-Q-tec AG)

Wie kommt der Covid-19-Impfstoff ohne aufzutauen vom Hersteller zum Impfzentrum oder zu den Hausarztpraxen? Darüber haben Logistikexperten in den letzten Monaten viel diskutiert. Die Impfstoffdosen müssen während des Transports und der Lagerung auf konstanten, häufig sehr kalten Temperaturen gehalten werden, damit sie wirksam bleiben. Je nach Impfstoff sind dazu Temperaturen um minus 70 Grad Celsius nötig. Eine zuverlässige Kühlkette ist entscheidend, denn einmal angetaut sind die Impfstoffe nur noch kurz verwendbar - teils nur für Stunden. Aktuell nutzen Transportdienstleister hauptsächlich Container oder Transportboxen, die vor dem Versand mit Trockeneis aufgefüllt werden. Das kühlt zwar zuverlässig im erforderlichen Temperaturbereich, ist jedoch nicht sehr nachhaltig.

Kühlakkus für einen sicheren und energieeffizienten Impfstofftransport

Eine Alternative zu Trockeneis könnten Kühlakkus werden, die jenen ähneln, die bereits in vielen Haushalts-Gefrierfächern zu finden sind. Nur müssten die Kühlakkus für den Impfstofftransport deutlich kälter und temperaturstabiler sein als das herkömmliche Haushaltsmodell. Damit sie über die gesamte Transportdauer konstant im erforderlichen Temperaturbereich kühlen können, müssen sie mit geeigneten Flüssigkeiten gefüllt sein, die bei sehr tiefen Temperaturen auftauen und dadurch Kälte abgeben. Genau daran arbeiten die Partner des Forschungsprojekts „coCO2vac: Entwicklung von Kältespeichermaterialien für den trockeneisfreien Impfstofftransport“, kurz: coCO2vac.

Ein solches Kühlelement auf etwa minus 70 bis minus 80 Grad Celsius abzukühlen, benötigt weniger Energie als die Herstellung einer gleich wirksamen Menge von Trockeneis. Im Logistikumlauf sinkt der Energiebedarf auf nur noch ein Drittel: Wenn der Kühlakku nach seiner Verwendung nur teilweise angetaut ist, kann er energiesparend wieder eingefroren werden, während sich das Trockeneis in jedem Fall verflüchtigt und neu hergestellt werden muss. Zudem können mit den Kühlakkus deutlich mehr Frachtplätze belegt werden, da sie anders als Trockeneis keinen besonderen Beschränkungen im Frachtverkehr unterliegen. Das macht auch die weltweite Verteilung von Covid-19-Impfstoffen einfacher.

Alternative zur energieintensiven Trockeneisherstellung gesucht

Trockeneis ist gewöhnliches CO2, welches bei einer Temperatur unterhalb von minus 78,5 Grad Celsius gefriert. Es kann in diesem Bereich kühlen. Nachdem Trockeneis in mehreren energieintensiven Prozessschritten hergestellt wurde, braucht es sich beim Kühleinsatz auf. Es kühlt seine Umgebung, indem es deren Wärme aufnimmt und dabei seinen Aggregatzustand direkt von fest in gasförmig ändert: Das CO2 verdampft nach und nach. Damit ist Trockeneis nicht mehrfach verwendbar und sein Einsatz ist wenig nachhaltig. Zudem gelten bestimmte Sicherheitsvorschriften, sodass nur begrenzte Mengen transportiert und gelagert werden können. Für eine weltweite Impfstoffverteilung bedeutet das einen logistischen Mehraufwand und mögliche Verzögerungen, wenn Frachtplätze nicht komplett ausgenutzt werden können. Das kann bei den neuen Kühlakkus aufgrund ihrer Beschaffenheit anders aussehen.

Forschungsprojekt coCO2vac entwickelt Phasenwechselmaterialien für Kühlakkus, die im Tieftemperaturbereich kühlen können

Kühlakkus sind mit Flüssigkeiten gefüllt, die aufgrund ihrer hier relevanten Eigenschaften Phasenwechselmaterialien (PCM) genannt werden. Phasenwechselmaterialien speichern Kälte und geben diese über einen bestimmten Zeitraum wieder an ihre Umgebung ab. In diesem Zeitraum wechselt das Material vom festen in den flüssigen Zustand. Während des Phasenwechsels bleibt die Temperatur konstant, erst danach nimmt sie zu. Diese konstante Temperatur hängt vom PCM ab und entscheidet darüber, für welchen Temperaturbereich der Kühlakku eingesetzt werden kann. Einfachstes Beispiel für ein PCM ist Wasser: Wenn Eis schmilzt, kühlt es seine Umgebung, bis es vollkommen zu flüssigem Wasser geworden ist. Die Temperatur bleibt in dieser Zeit konstant um 0 Grad Celsius, erst danach steigt sie an.

Damit Kühlakkus auch Impfstoffe im Tieftemperaturbereich kühlen können, wollen das Würzburger Unternehmen va-Q-tec und das Bayerische Zentrum für Angewandte Energieforschung (ZAE Bayern) nun im Forschungsprojekt coCO2vac geeignete Phasenwechselmaterialien entwickeln und erproben, wie diese industriell hergestellt werden können. Das Phasenwechselmaterial wechselt seinen Zustand von fest zu flüssig im Bereich zwischen minus 70 und minus 80 Grad Celsius. Es soll mindestens 50-mal wiederverwendet werden können und spart bei jeder Anwendung weitere Energie ein.

Neue Kühlakkus sind nicht nur für Corona-Impfstoffe geeignet

Die im Forschungsprojekt coCO2vac entwickelten Kühlakkus sollen in naher Zukunft den Transport von Covid-19-Impfstoffen unterstützen. Zwar sind einige der Impfstoffe auch für kurze Zeit bei üblichen Kühlschrank-Temperaturen haltbar, für eine längere Lagerung oder weitere, internationale Transportwege bleiben jedoch konstante tiefe Temperaturen erforderlich. Abgesehen von der aktuellen Pandemie-Situation können Kühlakkus zukünftig auch in anderen Bereichen angewendet werden – so weisen einige Impfstoffe gegen Ebola ähnliche Temperaturanforderungen wie die Covid-19-Impfstoffe auf. Die neuartigen Kühlakkus bieten außerdem viele Möglichkeiten für weitere medizinische Anwendungen, etwa um Blutproben, Gewebe, Blutplasma oder Arzneimittel zu transportieren.