Was ist eigentlich Leichtbau?

Was Fliegerpionier Otto Lilienthal mit der Energiewende zu tun hat und wie eine leichtgewichtige Technologie die Verbindung von Wirtschaftlichkeit, Ressourcen- und Energieeffizienz ganz einfach macht? Hier entlang für mehr Information.

Illustration: Leichtbau unter einer Lupe© BMWi

Darum geht's: Leichtbau-Technologien verbinden hohe wirtschaftliche Potentiale mit Ressourcenschutz. Das ist wichtig, um die nationalen Nachhaltigkeits- und Klimaziele erreichen zu können.

Berge gab es in und um Berlin schon immer wenige – sehr zum Leidwesen des Flugpioniers Otto Lilienthal. Von einem eigens für seine Flugversuche aufgeschütteten, rund 15 Meter hohen "Fliegerberg" nahe Berlin schaffte Lilienthal nach jahrelanger Tüftelei schließlich 25 Meter im kontrollierten Gleitflug. Er gilt als erster Mensch, der erfolgreich und wiederholbar Gleitflüge in einem Flugapparat unternahm. 1894 ging sein nur 20 Kilogramm leichter "Normalsegelapparat" schließlich in die Serienproduktion. Mehr als 120 Jahre später umrundete erstmals ein Solarflugzeug ohne jeden Treibstoff die Erde, dank seiner extremen Leichtbauweise.

Energiewende leichtgemacht: Wirtschaftlichkeit und Ressourcenschutz auf einen Streich

Die Rechnung hinter diesem Erfolg ist einfach: je geringer das Eigengewicht eines Flugzeuges ist, desto weniger Energie wird benötigt, zum Beispiel um die Schwerkraft zu überwinden. Gerade für den nachhaltigen Umbau des Mobilitätssektors und für den Ausbau der erneuerbaren Energien gelten Leichtbautechnologien deshalb heute als entscheidend, denn sie verbinden hohe wirtschaftliche Potentiale mit Ressourcenschutz. Auch viele andere Bereiche können davon profitieren. Mit seiner Anfang 2021 veröffentlichten Leichtbaustrategie will das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) deshalb die Rahmenbedingungen für Leichtbau in Deutschland verbessern. So können die Chancen der wichtigen Querschnittstechnologie noch besser genutzt werden heißt es darin. Auch den nationalen Klima- und Nachhaltigkeitszielen kommt Deutschland mit dieser Strategie ein weiteres Stück näher. Erklärtes Ziel: Deutschland soll Leitmarkt und Leitanbieter für den Leichtbau werden. Doch was ist das eigentlich, Leichtbau? Um welche Branchen geht es dabei? Welche Materialien eignen sich und wie wird die Technologie gefördert? Die Grundidee ist schnell erklärt: Leichtbau führt über einen geringeren Materialeinsatz zu geringeren Kosten und verbesserten Funktionalitäten. Die geringere Masse bewirkt außerdem, dass bei der Nutzung von Leichtbauprodukten weniger Energie verbraucht wird und CO2-Emissionen eingespart werden können.

Nichts leichter als das, aber wie?

Reduziert wird das Gewicht zum Beispiel durch den Einsatz neuartiger Materialien oder durch innovative Produktions- oder Konstruktionsverfahren. Werden die Leichtbau-Prinzipien schon in der Konstruktions- und Entwicklungsphase berücksichtigt, können außerdem Funktionen integriert werden, die zum Beispiel Montageschritte sparen und die Funktionalität verbessern. Auch eine längere Nutzungsdauer und klimafreundliches Recycling von Leichtbau-Produkten helfen beim Einsparen von Ressourcen und ermöglichen CO2-Einsparungen.

Beispiel gefällig? 100 Kilogramm weniger Gewicht reduzieren beispielsweise den Kraftstoffverbrauch eines Autos um 0,3 bis 0,5 Liter pro 100 Kilometer. Auch für Elektrofahrzeuge bedeutet jedes eingesparte Kilogramm mehr Reichweite. Bei einem Airbus A 320 entsprechen 100 Kilogramm weniger Gewicht fast 10.000 Liter weniger Kerosin pro Flugzeug und Jahr. Leichtbau wird heute deshalb bereits vielfältig eingesetzt und sorgt für Innovationen in vielen Bereichen. Besonders innovative Leichtbau-Produkte kommen aus der Luft- und Raumfahrt sowie der Automobil- und Transportindustrie. Auch in der Bau-, Freizeit- und Sportindustrie, der maritimen Wirtschaft und der Medizintechnik richten sich immer mehr Blicke auf Lösungen durch Leichtbau.

Zu den Leichtbau-Werkstoffen gehören unter anderem Kunststoffe und faserverstärkte Kunststoffe wie Carbon oder Glasfasern, Metalle und Legierungen wie Aluminium, Magnesium und Stahl, mineralische Werkstoffe wie Keramiken und Beton aber auch Naturstoffe wie Holz und Cellulose. Die große Vielfalt etwa an Werkstoffen und Anwendungsbereichen macht Leichtbau zu einer sogenannten Querschnittstechnologie – also einer Technologie, die auch Innovationen branchenübergreifend zusammenbringen und weiterentwickeln kann.

Technologische Lösungen für die Energiewende

Das schafft beste Aussichten für deutsche Unternehmen, weltweit führende Anbieter für Leichtbautechnologien werden zu können. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sollen von der industriellen Anwendung neuer digitaler Tools, Materialien und Fertigungsverfahren profitieren. Dafür will das BMWi mit der Leichtbaustrategie und dem passenden Förderprogramm (Technologietransferprogramm Leichtbau, TTP LB) den Technologietransfer beschleunigen und Leichtbaukompetenzen in der Industrie stärken. Acht Maßnahmenpakete hat Deutschland dafür geschnürt, mithilfe von rund 350 Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Die Maßnahmen sollen unter anderem helfen, die Rahmenbedingungen für Start-Ups und KMUs zu verbessern, Aus- und Weiterbildung zu fördern und für eine bessere Vernetzung zu sorgen. Für einen nachhaltigen Leichtbau setzt die Strategie auch auf die Wiederverwertbarkeit und Recyclingfähigkeit von Produkten und stärkt Qualitätssicherungsmethoden, frühzeitige Materialqualifizierung und standardisierte Bilanzierungsverfahren. Dazu gehören auch der Aufbau einer digitalen Infrastruktur für eine ressourcenschonende Leichtbauentwicklung.

Das Technologietransferprogramm Leichtbau ist ein sehr wichtiges Instrument der Leichtbau-Strategie. Das Förderprogramm unterstützt mit rund 70 Millionen Euro pro Jahr den branchen- und materialübergreifenden Wissens- und Technologietransfer im Leichtbau. Schwerpunkte sind unter anderem Technologieentwicklung, CO2-Einsparung und Ressourceneffizienz.