Rückenwind aus den Nordsee-Staaten

Die Nordsee-Anrainerstaaten sind sich einig: Offshore-Wind ist ein Schlüssel auf dem Weg zur Klimaneutralität. Gemeinsam fordern sie deshalb europäische Rahmenbedingungen, die die Zusammenarbeit bei der Nutzung von Windenergie auf See verbessern.

Offshore Windpark© stock.adobe.com/Fokke

In einer gemeinsamen Erklärung auf dem Minister-Treffen der Nordsee-Energiekooperation (NSEC) (engl. North Seas Energy Cooperation) am 6. Juli 2020 betonten die Ministerinnen und Minister und die EU-Kommissarin für Energie, Kadri Simson, die Schlüsselrolle der Offshore-Windenergie zur Erreichung der Ziele beim Ausbau erneuerbarer Energien und der Klimaziele Europas bis 2050. Das enorme Potenzial der Nordsee könne wesentlich zu einer stärkeren Nutzung von Offshore-Windenergie beitragen, waren sich die Minister einig.

Vor allem die beschleunigte Umsetzung von grenzüberschreitenden Offshore-Windprojekten mit einer Vernetzung von Nordsee-Anrainerstaaten wird nach Meinung der Mitgliedsländer helfen, diese Potentiale auch zu nutzen. Kosten könnten gesenkt und der Bedarf an Offshore-Flächen verringert werden. Auch für den Stromhandel, das industrielle Wachstum und die Beschäftigung in der Region versprechen sich die Länder positive Effekte. All das trage zur Erholung der europäischen Wirtschaft bei, hieß es weiter.

EU-Kommission soll EU-weite Rahmenbedingungen erarbeiten

Wichtig dafür seien der Abbau von bestehenden Hindernissen, um die schnellere Umsetzung unter anderem von multinationalen Offshore-Windenergieprojekten zu erleichtern. In der gemeinsamen Erklärung wird die EU-Kommission dazu aufgerufen, ein geeignetes Rahmenwerk auf EU-Ebene (engl. "enabling framework") zu erarbeiten. Es soll EU-Leitlinien für die Mitgliedstaaten zur Umsetzung von grenzüberschreitenden Projekten, angemessene Strommarktregeln sowie eine verbesserte und effiziente EU-Finanzierung umfassen. Die Erklärung ist auch eine Grundlage für die Diskussionen aller EU-Mitgliedstaaten unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.

Die Nordsee-Energiekooperation ist eine grenzüberschreitende Kooperation von derzeit neun europäischen Staaten sowie der Europäischen Kommission. Im Fokus der Zusammenarbeit stehen der Ausbau der Offshore-Windenergie und der Netzinfrastruktur auf See. 2020 hat Deutschland die Präsidentschaft inne.

Altmaier: Zuwachsrate bei Offshore-Wind muss sich beträchtlich erhöhen

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier betonte während des Treffens die wesentliche Rolle gemeinsamer und sogenannter hybrider Offshore-Windprojekte bei der Erreichung der Energie- und Klimaziele bis 2050. "Der potenzielle europäische Beitrag von Offshore-Windenergie bis 2050 beläuft sich auf mehr als das Zehnfache der aktuellen installierten Leistung von 22 GW. Dafür müsste die jährliche Zuwachsrate der installierten Leistung von derzeit drei GW in den kommenden Jahren beträchtlich erhöht werden", sagte er.

Gemeinsamer Weg mit Hindernissen

Doch der Weg dahin ist nicht ohne Hindernisse. Dazu zählen unterschiedliche Bestimmungen der Länder zur Nutzung des Meeresbodens, ein großer Koordinierungsaufwand für die Umsetzung gemeinsamer und hybrider Projekte, eine möglicherweise unausgewogene Verteilung von Kosten und Nutzen auf die beteiligten Mitgliedstaaten. Dazu kommen gegensätzliche Interessen hinsichtlich der Nutzung knapper Offshore-Flächen für Infrastruktur für Offshore-Windenergie einerseits und Handel zwischen den Ländern andererseits.

Über den Ruf nach EU weiten Rahmenbedingungen hinaus wurde deshalb eine verstärkte Koordinierung in der Nordsee unter anderem mit Blick auf die Gestaltung und Terminierung von Offshore-Wind-Ausschreibungen sowie Methoden zur Bewertung der Verteilung von Kosten und Nutzen der gemeinsamen und hybriden Projekte vereinbart. Die Ministerinnen und Minister und die EU-Kommissarin wollen außerdem die Offshore-Netzplanung und Onshore-Netzanbindungen von Offshore-Windparks besser miteinander verzahnen. Auch die maritime Raumplanung und Offshore-Netzplanung sollen zukünftig besser aufeinander abgestimmt werden - um den Ausbau Offshore-Windenergie in der Region weiter vorabzubringen.

Weiterentwicklung konkreter Vorschläge bis Ende 2020 geplant

EU-Kommissarin Kadri Simson ist sich sicher: "Nur mit einer engeren grenzüberschreitenden Zusammenarbeit unter anderem zwischen den Nordsee-Anrainerstaaten wird es uns gelingen, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in ausreichendem Umfang zu erhöhen und Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen."

Dafür sollen in der zweiten Jahreshälfte der deutschen Präsidentschaft der NSEC konkrete Vorschläge für eine verbesserte maritime Raumplanung, die Offshore-Netzplanung und für die Rolle der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien einschließlich Wasserstoff im Offshore-Bereich bis 2050 weiterentwickelt werden.

Für 2021 hat Belgiens Energieministerin Marie-Christine Marghem angeboten, den Vorsitz der Nordsee-Energiekooperation zu übernehmen. Das nächste Treffen der Ministerinnen und Minister und der EU-Kommissarin im Rahmen der Nordsee-Energiekooperation findet im Dezember in Brüssel statt.