Im Herzen der Innovation

Mehrere Hundert Energie-Start-ups versorgen die Energiewende in Deutschland mit Innovationen - ein eigenes Drehkreuz bringt ihnen jetzt noch mehr Unterstützung.

Mann im Anzug mit Raketen fliegt los.© Adobe Stock/Romolo Tavani

Das Kraftwerk von Hendrik Sämisch und Jochen Schwill kann man nicht mit den Händen berühren, sehen oder riechen. Es hat nicht einmal einen Standort. Dennoch kann es auf sagenhafte 7.560 Megawatt vernetzte Leistung zurückgreifen und ist damit eines der größten virtuellen Kraftwerke Europas. 2009 haben die beiden Gründer und Geschäftsführer das Energie-Start-up Next Kraftwerke ins Leben gerufen. Über ihre zentrale Plattform vernetzen sie Stromproduzenten wie Biogas-, Wind- und Solaranlagen, gewerbliche und industrielle Stromverbraucher sowie Stromspeicher miteinander. Durch diese Vernetzung entsteht ein belastbarer Verbund, der den Teilnehmern höhere Erlöse und allen Menschen ein stabiles Stromnetz bringen soll.

"Wir sind davon überzeugt, dass der Strombedarf in Deutschland bis 2050 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, denken wir in Bits und Watts: So setzen wir eine wirtschaftliche Energielandschaft um, in der auch kleine Einheiten eine zentrale Rolle spielen", erklären die Gründer ihr Konzept.

Neue Geschäftsmodelle und viel digitales Know-how

So wie die Kölner Kraftwerksbetreiber schaffen viele Energie-Start-ups in Deutschland wichtige Innovationen für die Energiewende. Mehrere Hundert von ihnen gibt es. Sie entwerfen neue Geschäftsmodelle oder bringen ihr digitales Know-how in Partnerschaften mit etablierten Unternehmen ein. Denn viele Energie-Start-ups verfügen über hohe Digitalkompetenzen und neue besonders wichtige Technologien im Energiesektor. Dafür brauchen Start-ups optimale Bedingungen, Zeit zum Tüfteln und den Kopf frei. Nicht selten aber werden sie zu Hürdenläufern: Vor allem mit Blick auf die strukturellen Regeln der Energiewirtschaft, die sie beachten müssen, und die komplexe Energiepolitik.

Neues Drehkreuz für Energie-Start-ups bündelt Angebote und Informationen

Um hier Abhilfe zu schaffen und die Start-ups im Energiesektor noch mehr zu unterstützen, hat das BMWi den Start-up Energy Transition Hub (SET Hub) mit der Deutschen Energie-Agentur (dena) gegründet - eine Art Drehkreuz und eine Zentrale für Energie-Start-ups. Der Hub bietet Informations- und Beratungsangebote für die Gründungsphase aber auch für etablierte Start-ups. Er unterstützt die jungen Unternehmen unter anderem dabei, den regulatorischen und energiepolitischen Rahmen von Beginn an richtig einzuschätzen. Teil des SET Hubs sind auch die SET Academies. Die regionalen Workshops in Kooperation mit Forschungseinrichtungen und Universitäten vermitteln Grundlagenwissen zum Energiesystem und Fachwissen zu speziellen Themen für Energie-Start-ups. Zwölf ausgewählte Start-ups können jedes Jahr das SET Mentoring nutzen, ein mehrmonatiges individuelles Coaching durch die dena. Auch den Austausch zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen der Energiewirtschaft will der Hub fördern. Der erste regionale Workshop soll am 14. und 15. Mai 2020 in Berlin stattfinden.

Innovative Energie-Ideen schaffen es schneller zur Marktreife

"Wir wollen dazu beitragen, dass möglichst viele neue Geschäftsideen den Weg zur Marktreife finden - und dadurch das Innovationstempo der Energiebranche steigern. Damit stärken wir die Energiewende und helfen Start-ups dabei, ihre Geschäftsmodelle auf die komplexen Rahmenbedingungen des Energiemarktes hin zu optimieren", sagt Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung.

Viele Ideen deutscher Energie-Start-ups sind so gut, dass sie auch in den Bewerbungen des internationalen Start-up-Preises "SET Award" auftauchen, den die dena jedes Jahr im Rahmen des internationalen TechFestivals verleiht. Für 2020 waren dafür 570 Bewerbungen aus 90 Ländern eingegangen. Aufgrund der Einschränkungen durch das neuartige Coronavirus (COVID-19) in Deutschland musste die für März 2020 geplante Veranstaltung allerdings abgesagt werden.

Viele Energie-Startups fest am Energiemarkt etabliert

Viele der deutschen Energie-Start-ups haben sich fest am Energiemarkt etabliert. Während Next Kraftwerke mittlerweile einer der führenden Betreiber für virtuelle Kraftwerke ist, hat sich zum Beispiel das Start-up Thermondo (Gründung Ende 2013) durch eine konsequente Digitalisierung des Kundenzugangs und durch die Beschäftigung eigener Installateure inzwischen eine Führungsrolle im Markt für Heizungsinstallationen gesichert. Der 2010 gegründete Batteriespeicher-Experte "sonnen" hat sich dagegen zum weltweit führenden Anbieter von intelligenten dezentralen Stromspeichern aufgeschwungen. Sein Erfolg basiert auf besonders kundenorientierten Innovationen.

Geniale Ideen: von Künstlicher Intelligenz bis zu C02-freier Gebäudesanierung

Viele wichtige Technologien für die Energiewende wurden in den vergangenen Jahren von solchen Start-ups in allen Segmenten der Energiewirtschaft entwickelt, darunter intelligente Energiemanagement-Systeme, digitale Plattformen zur Einrichtung neuer Stromhandelsplätze und zur Vernetzung vieler kleiner Anlagen oder sogenannte Cloud-Architekturen wie sie etwa Energieversorger für die Abwicklung ihrer Kundenkontakte und Geschäfte nutzen.

Auch im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) spielen Energie-Start-ups eine große Rolle. Das erst Mitte 2017 gegründete Unternehmen envelio hat sich auf die KI-gesteuerte Planung und Optimierung von Verteilnetzen spezialisiert. Der Hintergrund: Im Zuge der Energiewende müssen Millionen neue Photovoltaikanlagen, Windenergieanlagen und Ladesäulen in die Verteilnetze integriert werden. Die Planung und der Betrieb der Netze werden durch diesen Wandel zunehmend komplexer.

Die Gründer von ENIT Systems haben sich schon im Labor kennengelernt. Aus ihrer wissenschaftlichen Forschung entstand am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE) schließlich eine kraftvolle Idee: Sie entwickelten ein neuartiges Monitoring- und Steuerungssystem, das auf die Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen zugeschnitten ist und Einsparpotentiale in der Produktion ermittelt.

EcoWorks beschäftigt sich dagegen seit seiner Gründung mit der CO2-freien Gebäudemodernisierung. Das Start-up ist Bauunternehmen und Energieversorger in einem. Es modernisiert vor 1978 gebaute Mehrfamilienhäuser mit bis zu vier Geschossen. Zusätzlich versorgt es die Gebäude und ihre Mieter für mindestens 15 Jahre mit CO2-frei erzeugter Wärme und mit Strom aus Solaranlagen auf den Dächern. In Deutschland sind industrielle Ansätze bei der Gebäudesanierung noch wenig bekannt. Um den Markt für die Komplettsanierung aus einer Hand zu entwickeln, hat die dena das Projekt "Serielle Sanierung von Mehrfamilienhäusern" gestartet. "Energiesprong" heißt der neue Ansatz aus den Niederlanden, den EcoWorks auf Deutschland übertragen möchte.

Der SET-Hub bündelt Angebote und Informationen für solche innovativen Start-ups und ermöglicht einen spannenden Blick ins Herz der Innovation.