So war das Energiewendejahr 2019

Ein Maßnahmenpaket für das Klima, mehr erneuerbare Energien und neuer Schwung für den Netzausbau - ein Rückblick auf die vergangenen zwölf Monate.

Mädchen mit weihnachtlicher Laterne.© Adobe Stock/Syda Productions

Klima, Klima und nochmal Klima. Kaum ein Thema hat die Deutschen 2019 so sehr beschäftigt, wie die Diskussion um die Klimazukunft unseres Planeten und eine langfristig umweltverträgliche Energieversorgung. Das Industrieland Deutschland hat hier viel geschafft. Mittlerweile stammen fast 40 Prozent des deutschen Stroms aus Wind, Sonne, Wasser oder Biomasse. Der Bundestag hat 2019 wesentliche Teile des Klimaschutzprogramms 2030 und das dazugehörige Klimaschutzgesetz verabschiedet. Sie enthalten ein umfassendes Maßnahmenpaket für mehr Klimaschutz und eine sichere Energieversorgung in Deutschland.

Ziel ist es, die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen weiter zu verringern. Wichtig dafür ist die Einführung eines CO2-Preises in den Sektoren Wärme und Verkehr. Ab 2021 soll der umweltschädliche Ausstoß von Treibhausgasen jedes Jahr ein Stück weit teurer werden. Das wird "sozialverträglich" geschehen und "ohne, dass jemand überfordert wird", verspricht Minister Altmaier. Zum anderen sollen die Bürger bei den Strompreisen entlastet werden und Hilfen und Förderungen zum Beispiel bei der Umstellung ihrer Heizungsanlagen auf klimaverträgliche Modelle erhalten. Etwa mit einer Austauschprämie für alte Ölheizungen. Für die energetische Sanierung von Häusern und Gebäuden gibt es weiterhin direkte Zuschüsse. Die Antragstellung dafür wird einfacher. Alternativ sollen die Deutschen mit energetischen Sanierungsmaßnahmen künftig auch Steuern sparen können. Rund 50 Milliarden Euro wird die Bundesregierung in den nächsten drei bis vier Jahren ausgeben, um alle Maßnahmen umzusetzen.

Gut für das Klima: Schluss mit der Kohle bis 2038

Anfang 2019 hat die Kommission "Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" in ihrem Abschlussbericht Vorschläge für den deutschen Kohleausstieg vorgelegt. Bis 2038 sollen demnach alle Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Schluss mit der Kohle, das wird keine leichte Aufgabe. Der schrittweise Ausstieg aus der Kohleverstromung und der Umstieg auf Erneuerbare müssen mit Blick auf die Klimaziele für 2030 gut geplant werden, denn gleichzeitig sollen die Versorgungssicherheit und bezahlbare Strompreise in Deutschland gewährleistet bleiben.

Besonders wichtig beim Kohleausstieg sind neue und sichere Arbeitsplätze in den vom Ausstieg betroffenen Regionen. Dazu hat das Kabinett im August 2019 das Strukturstärkungsgesetz beschlossen. Noch im Dezember 2019 soll es sich mit dem sogenannten Kohleausstiegsgesetz befassen. Darin soll der Ausstieg aus der Steinkohleverstromung geregelt werden. Außerdem wird intensiv mit den Kraftwerksbetreibern über den Ausstieg aus der Braunkohle verhandelt.

Die Bundesrepublik setzt auf gute Nachbarschaft und stimmt die Entscheidung für den Kohleausstieg jetzt und zukünftig eng mit den Nachbarländern ab. Mit ihnen wurden die Empfehlungen der Kohlekommission im April 2019 ausführlich diskutiert. Der grenzüberschreitende Stromaustausch hilft allen Nachbarn, denn er macht die Stromversorgung sicher und bezahlbar. (Hier entlang für mehr Informationen).

Mehr Erneuerbare: Photovoltaik wächst, mehr Windkraft auf See bis 2030, Aktionsplan für Windenergie an Land

Im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030 wurde 2019 beschlossen, den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030 auf 65 Prozent zu erhöhen. Dafür soll die Nutzung von Wind- und Sonnenergie weiter ausgebaut werden. Das Ausbauziel für Windkraft auf See wird bis zum Jahr 2030 von 15 auf 20 Gigawatt (GW) angehoben.

Sonnige Aussichten gab es auch 2019 wieder für Solarstrom. Der Photovoltaik-Anteil am Strommix wächst kräftig und die Ausschreibungen für Solaranlagen sind weiterhin um mehr als 50 Prozent überzeichnet. Das meldete Ende November 2019 die Bundesnetzagentur.

Deutlich eingebrochen ist dagegen der Ausbau der Windenergie an Land. Gründe dafür waren unter anderem fehlende Genehmigungen und viele Klagen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hatte deshalb nach dem Treffen zur Windenergie Anfang September 2019 ein Maßnahmenprogramm angekündigt, das wieder Aufwind bringen soll. Anfang Oktober legte das BMWi dazu den Arbeitsplan zur Stärkung der Windenergie an Land vor. Mehr Flächen müssen demnach zukünftig für Windkraftanlagen verfügbar sein, Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt und die Akzeptanz von Windparks erhöht werden.

Neuer Schwung für den Netzausbau

Ein wichtiger Schritt beim Netzausbau war die Ende Januar 2019 abgeschlossene Bundesfachplanung für den ersten Abschnitt der Stromautobahn "Ultranet" in Hessen und Baden-Württemberg. Damit wurde der genaue Korridor festgelegt, in dem die Stromtrasse verlaufen wird. "Ultranet" ist eine der fünf großen deutschen Stromautobahnen und soll den in Norddeutschland produzierten Windstrom in den Süden Deutschlands bringen. Deutschlandweit wird dafür erstmals eine Gleichstromleitung mit einer Drehstromleitung auf denselben Masten kombiniert.

Diese großen Stromautobahnen sind die Lebensadern der Energiewende. Sie brauchen die Unterstützung von Bund, Ländern und Kommunen, vor allem aber von den Menschen vor Ort. Zum dritten Mal packte Minister Altmaier deshalb im Februar 2019 seine Koffer und ging auf Netzausbaureise, dieses Mal zu "Ultranet" nach Hessen. "Auf diesen Reisen mache ich mir persönlich ein Bild vor Ort und versuche Lösungen zu finden. Mir ist wichtig zu wissen, was die Bürger davon halten. Ich will zuhören und gleichzeitig für den Netzausbau werben", so der Minister.

Anfang April 2019 gab der Bundestag schließlich grünes Licht für das überarbeitete Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG). Mit dem neuen Gesetz werden Genehmigungsverfahren für den Neubau von Stromleitungen in Deutschland einfacher und schneller. Die Menschen vor Ort werden weiterhin umfassend mit eingebunden.

Auch die Energieminister der Länder und des Bundes machen gemeinsam Tempo beim Netzausbau. Ende Mai einigten sie sich in Hannover mit der Bundesnetzagentur und den deutschen Übertragungsnetzbetreibern auf konkrete Zeitpläne mit Meilensteinen für alle Netzausbauvorhaben. Die sechs Meilensteine umfassen jeweils den Beginn und den Abschluss der Bundesfachplanung sowie Baubeginn und Inbetriebnahme. Mehr dazu lesen Sie hier.

Versorgungssicherheit weiter hoch

Damit eine verlässliche Stromversorgung auch mit dem Voranschreiten der Energiewende gewährleistet ist, überwacht das BMWi kontinuierlich die Sicherheit der Stromversorgung. Die Ergebnisse fasst der "Monitoringbericht zur Versorgungssicherheit Strom" zusammen. Er untersucht unter anderem, wie sich der Strommarkt und die verfügbaren Kraftwerke in den Jahren bis 2030 entwickeln. Fazit der Ausgabe vom Juli 2019: Die Stromverbraucher in Deutschland können auch beim weiteren Umbau der Energieversorgung sicher mit Elektrizität versorgt werden. Auch im internationalen Vergleich ist die Versorgungssicherheit in Deutschland weiterhin sehr hoch.

Viele Neuerungen für mehr Energieeffizienz

Viel hat sich 2019 auch im Bereich Energieeffizienz getan. Schließlich soll der wichtigste Gradmesser dafür, der Primärenergieverbrauch, bis 2050 um 50 Prozent im Vergleich zu 2008 sinken. Das BMWi hat deshalb Anfang 2019 zum Beispiel seine Förderprogramme für Unternehmen neu ausgerichtet. Dadurch werden unter anderem Investitionen in eine verstärkte Nutzung von industrieller Abwärme sowie die Verbesserung der Energieeffizienz von Produktionsprozessen wirksamer gefördert. Hier finden Sie weitere Informationen.

Auch die klimafreundliche Sanierung von Häusern spart Energie. Mit ihr sollen die Deutschen künftig auch Steuern sparen können. Im Oktober 2019 wurde die steuerliche Förderung energetischer Gebäudesanierungen durch das Bundeskabinett beschlossen. Jetzt müssen sich noch Bundesrat und Bundestag damit beschäftigen. Die steuerliche Förderung ist ein wichtiger Teil des Klimaschutzprogramms 2030 im Gebäudesektor. Sanierungswillige können künftig entscheiden, ob sie ihr Vorhaben steuerlich abschreiben oder lieber über die etablierten "investiven" Gebäudeprogramme des BMWi fördern lassen wollen. Hintergründe dazu finden Sie hier.

Im Juli 2019 hat der Bundestag die Vereinfachung und Weiterentwicklung der Energieaudits für Unternehmen beschlossen. Mit einem Energieaudit wird ermittelt, in welchen Bereichen ein Unternehmen wieviel Energie verbraucht und an welchen Stellen Energie eingespart werden kann. So können die Energieeffizienz gesteigert und Energiekosten eingespart werden.

Zum Ende des Jahres will die Bundesregierung außerdem die Energieeffizienzstrategie 2050 (EffSTRA) verabschieden. Die Strategie legt ein Energieeffizienzziel für 2030 fest. Dafür bündelt sie viele für das Thema Energieeffizienz wichtige Maßnahmen der Bundesministerien in der Neuauflage des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz (NAPE 2.0).

Preisgekrönte Forschung und energiegeladene Schaufenster

Im Februar 2019 startete der BMWi-Ideenwettbewerb "Reallabore der Energiewende". Das Interesse war groß, denn im Fokus stand unter anderem die Förderung neuer Wasserstofftechnologien. Sie sind echte Hoffnungsträger für die Energiewende. Die 20 Gewinner des Wettbewerbs können seit August 2019 im Praxiseinsatz testen, was im Forschungslabor bereits erprobt wurde. So kommt neue Energietechnik schneller zur Marktreife - und die Energiewende entscheidende Schritte vorwärts. Hier finden Sie weitere Informationen zum Wettbewerb.

Zeitreisen in die Energiewelt der Zukunft macht das erfolgreiche Forschungsprogramm des BMWi "Schaufenster intelligente Energie - Digitale Agenda für die Energiewende" (SINTEG) möglich. Fünf großflächige Modellregionen testen innovative Lösungen für die Energiewende. Im Jahr 2017 gestartet, ist das Programm Anfang 2019 in die zweite Halbzeit gegangen. Inzwischen hat sich beim Blick in die Schaufenster das Sortiment erweitert. Nachdem in der ersten Hälfte der Projektlaufzeit Lösungen erarbeitet wurden, laufen nun konkrete Praxistests. Hier geht’s zur Halbzeitbilanz.

Rohstoffe der Zukunft und intelligente Stromzähler

Erdgas wird noch für viele Jahre ein wichtiger Bestandteil unseres Energieversorgungssystems sein. Das hat der Dialogprozess "Gas 2030" bisher gezeigt. Um die Klimaziele zu erreichen, soll der verbleibende Gasbedarf jedoch Stück für Stück durch CO2-freie oder CO2-neutrale Energieträger ersetzt werden. Wasserstoff könnte zukünftig viele klimafreundliche Lösungen für die Energiewende liefern. Die Bundesregierung will in den nächsten Wochen eine nationale Wasserstoffstrategie mit einem Aktionsplan erarbeiten. Man wolle Rahmenbedingungen schaffen, sagte Altmaier, "die es der Wirtschaft ermöglichen, ihre industriellen Potenziale weiter zu entwickeln".

Eine "Schlüsseltechnologie" für die Energiewende sind die sogenannten "Smart Meter". Die intelligenten Messsysteme bestehen aus einem digitalen Stromzähler und einer Kommunikationseinheit, dem Smart Meter Gateway. Sie entsprechen den hohen Sicherheitsstandards des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). In den kommenden Jahren werden bundesweit die teils jahrzehntealten analogen Stromzähler ausgetauscht und durch solche modernen, digitalen Messgeräte ersetzt. Sie zeichnen ein genaueres Bild über den Energieverbrauch sowie die Energieerzeugung an den Anschlüssen direkt vor Ort und binden die Stromzähler in das intelligente Stromnetz ein. Sind mindestens drei solcher Geräte voneinander unabhängiger Hersteller durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert und liegt die sogenannte Marktreifeerklärung vom BSI vor, dann besteht eine gesetzliche Verpflichtung zum Einbau. Bis Ende September 2019 hatten bereits zwei Geräte eine solche Zertifizierung erhalten, ein drittes könnte laut BSI noch bis Ende des Jahres folgen. Mehr Informationen gibt es hier.

Der Strommarkt wird europaweit grüner

Der europäische Strommarkt hat 2019 ein neues Fundament bekommen. Der zweite Teil des Gesetzespakets "Saubere Energie für alle Europäer" richtet den Strombinnenmarkt auf die steigenden Anteile erneuerbarer Energien aus. Den Verbrauchern bringt das mehr Wettbewerb und flexible Stromtarife. Die wichtigsten Punkte in Kürze: Stromversorger müssen flexible Tarife anbieten, Strom aus Erneuerbaren ist überall in 15-Minuten-Einheiten handelbar, freiwerdende Kapazitäten lassen sich leichter vermarkten, Versorgungssicherheit wird mehr und mehr zum europäischen Projekt, der grenzüberschreitende Stromaustausch wird massiv gefördert, größere EE-Anlagen müssen Strom selbst vermarkten, der Einspeisevorrang für Erneuerbare wird europaweit gestärkt und der Abschied von Subventionen für CO2-intensive Kraftwerke kommt.

EU: Deutschland in der ersten Reihe

Im Juli 2020 übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Das BMWi ist dann unter anderem zuständig für den "Rat für Energie". Außerdem übernimmt Deutschland ab Januar 2020 die Präsidentschaft der Nordsee-Energiekooperation, die aus zehn europäischen Staaten und der EU-Kommission besteht. Sie alle arbeiten beim Ausbau der Offshore-Windenergie und der Netzinfrastruktur auf See zusammen.

Anfang Dezember 2019 hat die neue Europäische Kommission die Arbeit aufgenommen. Der Energiebereich soll eine wesentliche Rolle für das Gelingen des von der Kommission angekündigten "European Green Deal" spielen. Eine wichtige Aufgabe wird die Auswertung der Nationalen Energie- und Klimapläne (NECP) aller EU-Mitgliedsstaaten sein. Die NECP enthalten die nationale Energie- und Klimapolitik der Länder für einen Zeitraum von zehn Jahren. Das erklärte Ziel: Der Anteil erneuerbarer Energieträger soll auf mindestens 32 Prozent des Endenergieverbrauchs erhöht und die Energieeffizienz gesteigert werden. Der Primärenergieverbrauch muss um mindestens 32,5 Prozent sinken.