Vulkangestein speichert Windstrom

In Hamburg haben Forscher einen Wärmespeicher entwickelt, der schon jetzt rund 3.000 Haushalte einen Tag lang mit Strom aus Windenergie versorgen kann – und das soll erst der Anfang sein. Sein Geheimnis: Vulkangestein aus den Tiefen der Erde.

Aufnahme eines Wärmespeichers aus der Vogelperspektive© Copyright: Siemens Gamesa Renewable Energy / Ulrich Wirrwa

"Willkommen im neuen Steinzeitalter" steht in großen Lettern auf dem ersten elektrothermischen Energiespeicher der Welt, der mit einer ganz speziellen Technologie arbeitet. Er ist im Juni in Hamburg ans Netz gegangen und etwa so groß wie ein olympisches Schwimmbecken. Der 22 Meter lange, elf Meter breite und elf Meter hohe Betonbau steht auf dem Gelände der Aluminiumhütte Hamburg-Altenwerder im Hamburger Hafen. Gefüllt ist er mit rund 1.000 Tonnen Vulkangestein. Die Idee dahinter: Weht der Wind in und um Hamburg so stark, dass das Stromnetz nicht sämtliche erzeugte Windenergie transportieren kann, nehmen die Lavasteine die Energie der umliegenden Windkraftanlagen auf und geben sie bei Bedarf wieder an das Stromnetz ab. Voll aufgeladen können die Steine genug Energie speichern, um den Strombedarf von bis zu 3.000 Haushalten einen Tag lang zu decken.

Der elektrothermische Energiespeicher (Electro-Thermal Energy Storage, kurz ETES) wird vom Windenergieanlagenhersteller Siemens Gamesa gemeinsam mit dem Energieanbieter Hamburg Energie und der Technischen Universität Hamburg (TUHH) zu Forschungszwecken betrieben. Die Partner wollen zukünftig mehr erneuerbaren Strom aus Windkraftanlagen nutzbar machen, indem Stromerzeugung und Stromverbrauch entkoppelt werden. Dafür wurden Technologien aus den Bereichen Wärmespeicherung und Thermische Kraftwerke auf innovative Art und Weise miteinander kombiniert. Das Projekt trägt den Titel "Future Energy Solution – FES" und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit rund 10,7 Millionen Euro gefördert.

Lavasteine statt Kohle

Mithilfe einer sogenannten Widerstandsheizung und eines Gebläses lässt sich die elektrische Energie in einen Heißluftstrom und damit in Wärmeenergie umwandeln. Die heiße Luft wird dann in den isolierten und mit Lavasteinen gefüllten Betonblock geleitet. Dort werden die Steine wie mit einem sehr heißen Föhn auf bis zu 800 Grad Celsius aufgeheizt. Nach etwa 24 Stunden ist das Speichergestein "aufgeladen" und kann bis zu 130 Megawattstunden thermische Energie über einen Zeitraum von einer Woche und mehr speichern. Die lange Wärmespeicherleistung des Lavagesteins ist nicht der einzige Vorteil. Das Gesteinsmaterial ist außerdem vergleichsweise günstig und einfach verfügbar.

Wird der gespeicherte Strom schließlich benötigt, kann ETES die vorgehaltene Wärmeenergie mithilfe einer Turbine wieder in elektrischen Strom umwandeln. Das Prinzip ähnelt dem eines konventionellen thermischen Kraftwerks, nur kommen statt fossiler Brennstoffe wie Kohle oder Gas die Lavasteine zum Einsatz. Mit der in ihnen gespeicherten Wärme wird zunächst Luft und dann in einem Dampferzeuger Wasser so weit erhitzt bis Wasserdampf entsteht. Mit entsprechendem Druck treibt der Wasserdampf eine Turbine an, die mit einer Leistung von 1,5 Megawatt Strom erzeugt. Bei vollem Ladestand des Speichers kann die Turbine 24 Stunden lang Strom erzeugen. Im derzeitigen Versuchsaufbau kommt ETES dabei auf etwa 30 Megawattstunden. Damit könnten im Schnitt 3.000 Haushalte für einen Tag mit Strom versorgt oder rund 750 Elektrofahrzeuge ein Mal aufgeladen werden.

Emissionsfreier Strom

Der elektrische Netto-Wirkungsgrad der ETES-Versuchsanlage in Hamburg liegt aktuell bei rund 22 Prozent. Zum Vergleich: Ein konventionelles Kohlekraftwerk kommt im Durchschnitt auf einen Wirkungsgrad von 30 bis 40 Prozent. Über seinen Lebenszyklus gerechnet, setzt es dabei aber auch bis zu 1.230 Gramm klimaschädliches Kohlendioxid pro Kilowattstunde Strom frei. Der elektrothermische Speicher wäre in Kombination mit Windkraftanlagen dagegen fast emissionsfrei.

Für Siemens Gamesa ist die Hamburger Anlage erst der Anfang: "Die Anlage in Hamburg-Altenwerder ist lediglich eine Demonstrations- und Versuchsanlage in relativ kleinem Maßstab", erklärt Hasan Oezdem, Leiter Forschung und Entwicklung und Leiter des Energiespeicher-Programmes bei Siemens Gamesa Renewable Energy. "Im Verbundprojekt geht es zunächst darum zu zeigen, wie sich der Speicher in einer Gesamtanlage verhält und wie dieser in Abhängigkeit von den Strompreisen optimal betrieben werden kann." Die Anlage könne dem Bedarf entsprechend auf mehrere Gigawattstunden hochskaliert werden. Es brauche lediglich mehr Lavagestein, etwas mehr Platz und eine größere Turbine. Einmal marktreif soll die ETES-Technologie einen elektrischen Wirkungsgrad bis zu 45 Prozent erreichen.

Der Wirkungsgrad ist aber nur ein Faktor von vielen bei der Bewertung der Effizienz von großen Energiespeichern. Daneben müssen die Kosten für Anschaffung, Betrieb, Wartung und Sicherheit sowie die Lebensdauer, Zyklenfestigkeit und ökologische Aspekte betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund steht der Vulkanstein-Speicher mit anderen Speichertechnologien sowie flexibler Erzeugung und Nachfrage im Wettbewerb.

Werden Kraftwerke zu Speichern?

Im Zuge der Energiewende stillgelegte Kohlekraftwerke könnten zu emissionsarmen Langzeitspeichern umgerüstet werden, wenn Komponenten wie Netzanschlüsse, Turbinen und Generatoren weiter genutzt werden können. Ob diese Umrüstung im Einzelfall technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist, muss noch weiter untersucht werden.