Das Stromnetz wird intelligent

BMWi veröffentlicht Eckpunkte für den künftigen Einsatz intelligenter Messsysteme und Zähler ("Smart Meter")

Ein Stromzähler wird montiert© Fotolia/ Gerhard Seybert; weseetheworld

Der Anteil erneuerbarer Energien steigt – immer mehr Strom aus Wind und Sonne wird dezentral ins Netz eingespeist. Je nach Wetterlage ist dieser Ertrag naturgemäß unbeständig. Damit steigen auch die Anforderungen an das gesamte System: Die Netze sollen den Strom nicht mehr nur weiterleiten und verteilen, sondern auch die Schwankungen zwischen Angebot und Nachfrage ausgleichen. Dafür müssen Energieerzeugung und Verbrauch effizient miteinander verknüpft werden – smarte Schnittstellen sind gefragt. Hier kommen moderne Informations- und Kommunikationstechnologien ins Spiel: Sie machen aus Messsystemen und Zählern wichtige Bausteine einer zukunftsfähigen Stromversorgung.

Die sogenannten Smart Meter können weitaus mehr als nur den Energieverbrauch für die nächste Abrechnung messen: Ihr Einsatz kann helfen, die erneuerbaren Energien besser in den Markt zu integrieren. Denn Kleinerzeugungsanlagen wie die Solaranlage auf dem Dach, aber auch Elektroautos, Wärmepumpen und Nachtspeicherheizungen lassen sich über moderne Mess- und Steuerungstechnik ins intelligente Netz einbinden. Netzbetreiber und Direktvermarkter können die Erneuerbare-Energien-Anlagen sowie die flexiblen Verbrauchseinrichtungen so steuern, wie es sowohl für die Systemsicherheit als auch für die optimale Vermarktung des Stroms erforderlich ist.

Für Privathaushalte bietet moderne Messtechnik gleich mehrere Vorteile: Intelligente Messsysteme und Zähler können den Energieverbrauch visualisieren und dadurch die Verbraucher motivieren, Energie effizienter zu nutzen und Stromkosten zu sparen. Sie eröffnen auch neue Möglichkeiten für sogenannte Smart-Home-Applikationen – und damit den Weg in ein vernetztes Zuhause, in dem beispielsweise die Waschmaschine oder die Kaffeemaschine mit dem Smartphone kommunizieren. Intelligente Messsysteme werden auch die Einführung variabler Tarife vorantreiben, die Kunden mit niedrigen Preisen dafür belohnen, dass sie Strom dann nutzen, wenn das Angebot im Netz hoch ist.

Steuerung von Verbrauch und Erzeugung ist künftig Tagesgeschäft

Um verbindliche Rahmenbedingungen für den Einsatz der modernen Mess- und Steuerungstechnik zu schaffen, bringt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) das Verordnungspaket "Intelligente Netze" auf den Weg. Die Eckpunkte dazu hat das BMWi in der vergangenen Woche veröffentlicht; geplant ist, dass sich das Bundeskabinett noch vor der Sommerpause 2015 damit befasst. Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Rainer Baake: "In der Stromversorgung der Zukunft werden netzdienliche und marktlich induzierte last- wie erzeugerseitige Steuerungshandlungen zum Tagesgeschäft gehören. Um das System auch künftig sicher zu führen, brauchen wir eine sichere und moderne Mess- und Steuerungstechnik im Stromversorgungsnetz, die zuverlässige Einspeisewerte und Netzzustandsinformationen liefert. Mit den Eckpunkten für die Ausgestaltung des Verordnungspaketes 'Intelligente Netze' hat das Bundeswirtschaftsministerium dafür die Grundlage gelegt."

An erster Stelle: Datenschutz und Datensicherheit

Bei den neuen Smart Metern wird zwischen komplexen intelligenten Messsystemen und einfachen, günstigeren elektronischen Zählern unterschieden. Diese Zähler können nachträglich um eine Kommunikationseinheit, den sogenannten Smart Meter Gateway, ergänzt und zum intelligenten Messsystem aufgerüstet werden. Erst dann besteht die Verbindung zum intelligenten Netz, sodass eine aktive Kommunikation beispielsweise mit dem Netzbetreiber und dem Stromlieferanten in beide Richtungen möglich ist. Die Sicherheit der Kommunikation muss dabei an erster Stelle stehen: Schutzprofile und technische Richtlinien für die Smart Meter Gateways hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in den vergangenen Jahren erarbeitet. Sie werden weiterentwickelt und sollen das technische Fundament für die sichere Kommunikation bilden.

Bisher sind in deutschen Haushalten vor allem  elektromechanische Stromzähler verbaut. Sie machen weder den eigenen Verbrauch hinreichend transparent, noch können sie elektronisch Daten übertragen. Auch Anlagen und Geräte lassen sich darüber nicht automatisch steuern und schalten.

Stufenweise Einführung – aber nicht bei Klein- und Durchschnittsverbrauchern

Damit auf Verbraucher und Erzeuger keine unverhältnismäßigen Kosten zukommen, soll die Markteinführung ("Rollout") der modernen Mess- und Steuerungstechnik nicht um jeden Preis durchgesetzt werden: Intelligente Messsysteme sind künftig nur dort Pflicht, wo sie tatsächlich zu Kosteneinsparungen führen können. Denn das Nutzenpotenzial ist je nach Jahresverbrauch unterschiedlich ausgeprägt. Die Kosten-Nutzen-Analyse, die im Auftrag des BMWi erstellt wurde, empfiehlt daher einen Einbau intelligenter Messsysteme erst ab einem Jahresstromverbrauch von mehr als 6.000 Kilowattstunden. Ab dieser Verbrauchsgrenze ist das Einsparpotenzial so groß, dass die Mehrkosten für Einbau und Betrieb eines Messsystems aufgewogen werden können. Die Vorschläge des BMWi im aktuellen Eckpunktepapier tragen diesem Kosten-Nutzen-Ansatz Rechnung.

Eine Vorreiterrolle kommt deshalb größeren Verbrauchern zu, also denjenigen, die von Energieeffizienzpotenzialen besonders profitieren. Ab 2017 gilt die Einbauverpflichtung für intelligente Messsysteme ab einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden; nach zwei Jahren (2019) wird die Schwelle auf 10.000 Kilowattstunden gesenkt, ab 2021 liegt sie bei einem Jahresverbrauch von 6.000 Kilowattstunden. Haushalte, die weniger als 6.000 Kilowattstunden Strom im Jahr verbrauchen, sind von der Verpflichtung ausgenommen. Für sie ist langfristig ein kostengünstiger elektronischer Stromzähler vorgesehen, der den Verbrauch veranschaulicht. Diese Regelung betrifft einen Großteil der Privathaushalte: Laut Stromsparinitiative liegt der jährliche Strombedarf eines Vier-Personen-Haushalt im Einfamilienhaus bei durchschnittlich 4.400 Kilowattstunden.

Bei der Stromerzeugung gilt ein Grenzwert von sieben Kilowatt installierter Leistung – nur für größere netzrelevante Anlagen werden intelligente Messsysteme also zur Pflicht; bei kleineren reicht ebenfalls der elektronische Zähler. Eine klare Kostenregulierung soll sicherstellen, dass die Kosten den erwarteten Nutzen für den Einzelnen nicht übersteigen. Der Einbau und der Betrieb der Geräte wird wie bisher über die Entgelte für Messung und Messstellenbetrieb finanziert.

Hintergrund des Verordnungspakets: europarechtliche Regelungen

Das Verordnungspaket umfasst insgesamt drei Bausteine:

  • Die Messsystemverordnung wird technische Vorgaben enthalten, damit Datenschutz, Datensicherheit und die sogenannte Interoperabilität der Systeme – also die "Fähigkeit" verschiedener Systeme auch unterschiedlicher Hersteller, zusammenzuarbeiten - gewährleistet sind.
  • Die Datenkommunikationsverordnung regelt, wer welche Daten wie oft von wem und zu welchem Zweck beziehen darf.
  • Die Rollout-Verordnung hält fest, wer wann zum Einbau intelligenter Messsysteme und Zähler verpflichtet ist und wie diese finanziert werden.

Hintergrund der Neuerungen ist das dritte Binnenmarktpaket der EU. Nach dieser Vorgabe sollen die Mitgliedsstaaten 80 Prozent aller Haushalte mit intelligenten Zählern ausstatten oder die Markteinführung auf Basis einer Kosten-Nutzen-Analyse planen. Die Kosten-Nutzen-Analyse des BMWi hatte gezeigt, dass ein Rollout von intelligenten Messsystemen für 80 oder gar 100 Prozent aller Haushalte Klein- und Durchschnittsverbraucher unzumutbar belasten würde.