Ist Power-to-Gas die Speichermöglichkeit der Zukunft?

Zu dieser Frage äußern sich Dr. Michael Specht, Fachgebietsleiter Regenerative Energieträger und Verfahren am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW), und Lukas Emele, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs Energie & Klimaschutz am Öko-Institut.

PRO: DR. MICHAEL SPECHT

Dr. Michael Specht, ZSW© ZSW

Der Anteil von erneuerbarer Energie im Stromnetz steigt von Jahr zu Jahr. Wind- und Solarenergie unterliegen jedoch starken Schwankungen. Mancherorts müssen bereits an bestimmten Tagen Windräder abgeregelt werden, weil überschüssiger Strom nicht mehr eingespeist werden kann. Noch sind diese Mengen handhabbar. Doch im Verlauf der Energiewende soll der Strombedarf nahezu vollständig mit Ökostrom gedeckt werden – und damit werden auch die überschüssigen Strommengen deutlich steigen. Energiespeicher sind dann dringend erforderlich. Daher gilt es jetzt, die industrie- und energiepolitischen Weichen für Power-to-Gas (P2G) zu stellen.

Während andere Technologien wie Pumpspeicherwerke oder Batterien Schwankungen nur kurzfristig ausgleichen können, ermöglicht P2G als einziges Verfahren eine Speicherung über lange Zeit mit großen Kapazitäten. Wasserstoff und Methan lassen sich ins Gasnetz einspeisen und dort monatelang verlustfrei lagern. Die Infrastruktur ist mit dem großen Erdgasnetz und zahlreichen Erdgasspeichern bereits vorhanden - Investitionen sind somit nicht erforderlich und Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung nicht zu erwarten.

Nicht nur die Vorteile gegenüber anderen Speichertechnologien, sondern auch die Möglichkeiten zur Nutzung sind vielfältig: Das im P2G-Verfahren produzierte Gas kann in Wohnungen, Blockheizkraftwerken und der Industrie fossile Energieträger ersetzen, oder aber als Kraftstoff für Erdgas- und Brennstoffzellenfahrzeuge dienen, sprich für eine nachhaltige, CO2-neutrale Mobilität. Durch Synthese-Verfahren im Anschluss an den P2G-Prozess lassen sich flüssige Kraftstoffe herstellen, etwa synthetisches Kerosin für eine umweltfreundliche Luftfahrt. P2G liefert also den entscheidenden Beitrag für die Energiewende im Verkehr.

Kritisiert wird derweil der vermeintlich niedrige Wirkungsgrad bei der Rückverstromung des Gases. Tatsächlich erzielt aber auch eine relativ geringe Energieausbeute einen weitaus höheren Nutzen als abgeregelte Wind- und Solaranlagen. Zudem steigt der Gesamtwirkungsgrad durch die Nutzung der Abwärme deutlich. Das P2G-Konzept sieht darüber hinaus eine kaskadenartige Nutzung je nach Energiebedarf vor, um Wirkungsgradverluste gering zu halten: Bei Stromüberschuss wird die P2G-Anlage angefahren und erzeugt Wasserstoff (H2). Erst wenn keine Nachfrage nach H2 besteht, erfolgt dessen Umsetzung zu Methan mit biogenem CO2 - dieses steht laut ZSW-Berechnungen in mehr als ausreichenden Mengen für einen flächendeckenden Einsatz von P2G zur Verfügung. Sofern die Verbraucher das Methan nicht umgehend benötigen, wird es gespeichert. Bei Stromknappheit kann das Gas dann wieder rückverstromt werden und so zur Versorgungssicherheit beitragen.

Dr. Michael Specht ist Fachgebietsleiter Regenerative Energieträger und Verfahren am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW).

CONTRA: LUKAS EMELE

Lukas Emele, Öko-Institut© Öko-Institut

In aktuellen Studien spielt Power-to-Gas (P2G ) oft eine dominierende Rolle. Dabei werden unter dem Begriff P2G unterschiedliche Technologien subsummiert: Sowohl die Herstellung von Wasserstoff per Elektrolyse als auch die synthetische Herstellung von Methan als Erdgassubstitut gehört dazu. Dabei wird Elektrolysewasserstoff in einem weiteren Prozessschritt mit Kohlendioxid in Methan umgewandelt ("methanisiert").

Es ist zu unterscheiden, ob mittels P2G Methan oder Wasserstoff erzeugt werden soll und ob die Einführung von P2G bis 2030 oder im Zeithorizont bis 2050 diskutiert wird.

Mittelfristig bieten sich zur Methanisierung andere Alternativen: Beispielsweise in der chemischen Industrie wird derzeit in großem Maße Wasserstoff aus Erdgas hergestellt. Der Einsatz von Elektrolysewasserstoff bietet dort ein großes Potenzial, um dieses Erdgas einzusparen und damit relevante Mengen an fossilen CO2-Emissionen zu vermeiden. Perspektivisch können durch eine zeitlich flexible Elektrolyse gleichzeitig Stromüberschüsse nutzbar gemacht werden.

Als Speichertechnologie für den Stromsektor wird P2G erst ab einem Anteil an erneuerbaren Energien von etwa 80 Prozent sinnvoll. Vorher stehen ausreichend andere Speicher- und Flexibilitätsoptionen wie etwa Lastmanagement zur Verfügung. Bei einer guten Vernetzung der europäischen Stromnetze kann zudem der Speicherbedarf deutlich reduziert werden. Bei einer Anwendung von synthetischen Brennstoffen zur Emissionsreduktion in Endenergiesektoren werden Probleme teilweise nur verlagert: Schon die Deckung eines signifikanten Teils des Energieverbrauchs im Verkehr über P2G führt dazu, dass der Strombedarf insgesamt sehr stark steigt. Dies stellt die Dekarbonisierung des Stromsektors vor zusätzliche enorme Herausforderungen. Zudem steht – unter einer ambitionierten Klimaschutzpolitik – langfristig kaum mehr CO2 aus konzentrierten Quellen zur Verfügung, sodass für die Methanisierung auf eine energetisch sehr aufwändige Abscheidung von CO2 aus der Luft zurückgegriffen werden müsste.

P2G ist also nicht die Speichermöglichkeit der Zukunft, aber vielleicht eine Speichermöglichkeit der Zukunft für eine begrenzte Zahl von Anwendungsfällen. Bei der Frage der optimalen Speichertechnologie sollte sich der Blick nicht auf eine einzelne Lösung konzentrieren. Da jede Technologie ihre spezifischen Vor- und Nachteile hat, liegt die optimale Energiespeicherung vermutlich in einem breiten Technologiemix – wie wir es bereits bei den erneuerbaren Energien sehen. Auch bei diesen war und ist es nicht sinnvoll, nur auf eine Technologie zu setzen.

Lukas Emele ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs Energie & Klimaschutz am Öko-Institut.