Kabinett beschließt Neuerungen bei der Systemstabilitätsverordnung

Mal ist der Himmel bewölkt, mal scheint die Sonne mit voller Kraft, auch der Wind weht nicht immer gleich: Die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien schwankt. Damit die Stabilität der Stromversorgung nicht gefährdet wird, hat das Bundekabinett heute die Änderung der Systemstabilitätsverordnung beschlossen.

Transmission Control Center© BMWi/ Maria Parussel

Vorgesehen ist darin die Nachrüstung von Windenergie-, Kraft-Wärme-Kopplungs-, Biomasse- und kleinen Wasserkraftanlagen, um die technische Sicherheit und die Systemstabilität bei der Stromversorgung zu verbessern. Damit soll das sogenannten "49,5-Hertz-Problem" behoben werden. Wer eine Photovoltaik-Anlage installiert hat, ist von der Neuregelung der Systemstabilitätsverordnung hingegen nicht betroffen. Die Änderungen treten erst in Kraft, wenn der Bundesrat Anfang 2015 der Verordnung zugestimmt hat.

50-Hertz-Frequenz ausschlaggebend für die Systemstabilität

Zum Hintergrund: Die Energiewende und der steigende Anteil der schwankenden erneuerbaren Energien prägen die Stromversorgung in Deutschland mittlerweile grundlegend. Statt wenigen zentralen Kraftwerken speisen immer mehr dezentrale Anlagen Strom ins Netz ein. Ihre Bedeutung für die Netzstabilität wächst dadurch.

Die Netzstabilität hängt wesentlich davon ab, dass immer die Menge an Strom eingespeist wird, die gerade nachgefragt wird. Ob das so ist, lässt sich an der Frequenz ablesen: Steigt sie über die in Europa üblichen 50 Hertz, bedeutet das, dass zu viel Strom in das Netz eingespeist wird, sinkt sie darunter, ist es zu wenig. Leichte Schwankungen sind üblich und haben keine negativen Folgen, liegt die Frequenz aber sehr deutlich über oder unter dem Zielwert, kann das zu Problemen führen: Wenn die Netzfrequenz deutlich von 50 Hertz abweicht, schalten sich dezentrale Anlagen unter bestimmten Bedingungen automatisch ab – denn sie haben eine eingebaute Schutzeinrichtung, eine Art "Sicherung". Schaltet sich jedoch eine größere Anzahl von Anlagen gleichzeitig ab, kann das die europaweite Systemstabilität und damit die Versorgung gefährden. Rainer Baake, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: "Angesichts der großen Verbreitung dezentraler Anlagen in unserem Stromnetz könnte die gleichzeitige Netztrennung einer großen Zahl von Anlagen den sicheren Stromnetzbetrieb gefährden. Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit ist eine Nachrüstung der Anlagen unbedingt erforderlich."

Bis 2011 waren die Frequenzschutzeinstellungen der Photovoltaik-Anlagen in Deutschland so eingestellt, dass sie sich beim Anstieg der Netzfrequenz auf mehr als 50,2 Hertz automatisch vom Netz trennten. Um dieses sogenannte "50,2-Hertz-Problem" zu lösen, ist 2012 die Systemstabilitätsverordnung in Kraft getreten; bis Ende diesen Jahres (2014) mussten die Frequenzeinstellungen der Photovoltaik-Anlagen nachgerüstet werden. Bei der aktuellen Neuregelung geht es hingegen um das "49,5 Hertz-Problem", also die drohende Abschaltung bei Unterfrequenz. Davon sind in Deutschland Windenergie-, Biomasse-, Kraft-Wärme-Kopplungs- und Wasserkraftanlagen mit einer installierten Leistung von circa 27 Gigawatt (GW) betroffen. Besonders problematisch: Bei einem Absinken der Frequenz auf einen Wert unter 49,5 Hertz würden sich alle diese Anlagen zeitgleich vom Netz trennen. Sie müssen daher nachgerüstet werden, so dass sie auch bei stärkeren Schwankungen im Netz weiterhin Strom erzeugen. Zwar ist davon auszugehen, dass niemals alle dezentralen Anlagen gleichzeitig ins Netz einspeisen, doch die Situation könnte bereits bei einer gleichzeitigen Abschaltung von Anlagen mit einer installierter Leistung von mehr als drei GW systemstabilitätsgefährdend sein. Die Änderung der Systemstabilitätsverordnung hat deshalb die Nachrüstung eben dieser Anlagen zum Ziel.

Betreiber dezentraler Anlagen zur Nachrüstung verpflichtet

Die Betreiber dieser rund 21.000 betroffenen Anlagen werden daher verpflichtet, die Frequenzschutzeinstellungen ihrer Anlagen entsprechend den Vorgaben nachzurüsten. Da überwiegend größere Anlagen und professionelle Betreiber von der Neuregelung betroffen sind, sollen die Anlagenbetreiber die Nachrüstung selbst organisieren und grundsätzlich die Kosten tragen. Um ein unkalkulierbares Kostenrisiko bei einer aufwendigeren Nachrüstung zu vermeiden, können allerdings die über einen Eigentanteil hinausgehenden Kosten von den Netzbetreibern erstattet und über die Netzentgelte auf die Verbraucher umgelegt werden.