kontrovers Brauchen wir Sonderrechte für Elektroautos?

Zu dieser Frage äußern sich Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), und Dr. Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags.

PRO: Matthias Wissmann, VDA

Matthias Wissmann, Präsident des VDA© VDA

Automobilindustrie und Verkehrswirtschaft stehen vor großen Herausforderungen. Die Zahl der Millionenstädte weltweit wächst, fossile Kraftstoffe werden langfristig knapper und teurer, der Klimawandel erfordert stetige Anstrengungen zu mehr Nachhaltigkeit. Für den Weg weg vom Öl ist der elektrische Antrieb eine Schlüsseltechnologie.

Die deutsche Automobilindustrie hat einen guten Start beim "Marathonlauf" der Elektromobilität hingelegt. Wir haben Milliarden investiert und sind nach Meinung internationaler Experten Leitanbieter. In keinem anderen Land ist die Auswahl an Elektrofahrzeugen so groß wie in Deutschland. Bis Ende dieses Jahres sind 17 neue Serienmodelle deutscher Hersteller auf dem Markt, 2015 folgen zwölf weitere.

Doch letztlich entscheidet der Kunde über den Markterfolg dieser Antriebstechnologie. Daher müssen nicht nur die Fahrzeugmodelle attraktiv sein, sondern auch die Rahmenbedingungen stimmen. Hier ist die Politik gefordert. Da es für Käufer von E-Autos kaum finanzielle Anreize gibt, gilt es innovative Ansätze im Verkehrsrecht zu schaffen. Autofahrer, die sich für ein E-Modell entscheiden, sollten Vorteile haben. Nur so wird man der ökologischen Revolution zum Durchbruch verhelfen. Durch eine eindeutige Kennzeichnung werden die E-Fahrzeuge im Straßenverkehr sichtbar. Die Öffnung von Busspuren oder kostenlose Parkräume machen das elektrische Fahren zusätzlich attraktiv. Damit diese Anreize die Kunden überzeugen, müssen sie bundesweit gelten. Hier kommt es auf ein koordiniertes Vorgehen von Bund, Ländern, Städten und Gemeinden an.

Damit die Elektromobilität ihr Potenzial morgen voll entfalten kann, müssen bereits heute die richtigen Weichen gestellt werden. Marktmechanismen allein genügen noch nicht, weil viele Käufer wegen des höheren Anschaffungspreises noch zögern. Deswegen braucht es in dieser frühen Phase öffentliche Markteinführungsimpulse, die, sobald der Sprung in den Massenmarkt erfolgt ist, wieder zurückgefahren werden können. Daher sollte das Elektromobilitätsgesetz zeitnah umgesetzt werden, weitere Schritte sollten rasch folgen, etwa die Sonderabschreibung für gewerbliche Nutzer.

Matthias Wissmann ist Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).

CONTRA: Dr. Stephan Articus, Deutscher Städtetag

Dr. Stephan Articus  Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags© Deutscher Städtetag

Es ist richtig, die Zahl der Elektrofahrzeuge auf den Straßen zu erhöhen, um so zu einer nachhaltigeren, ressourcenschonenderen und schadstoffärmeren Mobilität in den Städten zu kommen. Deshalb unterstützen die Städte die Anstrengungen der Bundesregierung für dieses Ziel. Der Deutsche Städtetag befürwortet die bestehenden steuerrechtlichen Erleichterungen für die Halter von Elektrofahrzeugen. Die Städte halten zudem den Ansatz im geplanten Elektromobilitätsgesetz für hilfreich und nötig, den Kommunen die Entscheidung darüber zu überlassen, welche Instrumente vor Ort angewandt werden.

Denn bei möglichen Sonderrechten für Elektrofahrzeuge kommt es sehr darauf an, umsichtig und differenziert vorzugehen. Die Einrichtung von Ladesäulen für Elektroautos im Stadtgebiet sowie speziell für Elektroautos reservierte Parkplätze an Ladesäulen sind essentiell. Eher skeptisch beurteilen viele Städte dagegen Vorstellungen, die Parkgebühren für Elektroautos zu verringern. Schließlich gibt es beim Platzbedarf keinen Unterschied zu anderen Fahrzeugen.

In der Freigabe von Busspuren für private Elektro- und Hybridfahrzeuge sehen die Städte keine geeignete Maßnahme zur Förderung der E-Mobilität. Busspuren sind in den Städten geschaffen worden, um die Fahrt des ÖPNV, von Taxis und Krankentransporten zu beschleunigen. Weitere Fahrzeuge auf diesen Spuren zuzulassen, würde den Öffentlichen Nahverkehr wieder verlangsamen und damit viele Menschen betreffen. Außerdem könnte die Freigabe für weitere Fahrzeuge auch viele andere Fahrer zur Nutzung der Sonderstreifen verleiten, ohne dass sich dies im fließenden Verkehr durch Kontrollen wirksam verhindern ließe.

Im Übrigen sprechen sich die Städte dafür aus, statt der vom Bund vorgesehenen Kennzeichnung der Elektrofahrzeuge durch neue Nummernschilder einheitliche Plaketten einzuführen, die dann für Fahrzeuge aus dem In- und Ausland gleichermaßen gelten.

Dr. Stephan Articus ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages.