kontrovers
Rekommunalisierung: Gehören Energienetze in die öffentliche Hand?

Zu dieser Frage äußern sich Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), und Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE).

PRO: Hans-Joachim Reck

Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU)© VKU/Schuering

Auslaufende Konzessionsverträge bieten Kommunen einen geeigneten Anlass, um über Netzübernahmen oder die Gründung eigener Stadtwerke zu diskutieren. Denn Rekommunalisierungsprojekte, die mit volks- und betriebswirtschaftlichem Sachverstand angegangen werden, bieten einen entscheidenden Mehrwert für Städte und Gemeinden.

Als Garant für eine nachhaltige Sicherung der Daseinsvorsorge stehen Stadtwerke für eine sichere, umweltfreundliche und bezahlbare Energieversorgung. Mit ihrer dezentralen Energieversorgung, die auf örtlich vorhandenen Infrastrukturen fußt, sowie lokalen Klimaschutzprojekten, sind kommunale Energieversorgungsunternehmen wichtige und innovative Treiber der Energiewende. Dass die Bürger das Engagement der Stadtwerke zu schätzen wissen, machen die hohen Vertrauenswerte in Umfragen mehr als deutlich.

Mit eigenen Stadtwerken können die Gemeinden Wertschöpfungseffekte generieren und kommunale Handlungsspielräume sichern: Sie schaffen Arbeitsplätze und vergeben Aufträge überwiegend an Unternehmen in ihrer Region, was den jeweiligen Wirtschaftsstandort stärkt. Die von ihnen erwirtschafteten Gewinne – nach Konzessionsvergabe über 20 Jahre – fließen zum großen Teil zurück in die Kommune, wodurch sich der öffentliche Nahverkehr, kommunale Krankenhäuser oder öffentliche Schwimmbäder finanzieren lassen. Dabei schließen sich Gemeinwohl und wirtschaftliche Effizienz keinesfalls aus: Denn Stadtwerke sind starke Player im Energiemarkt und sorgen hier für Anbietervielfalt und Wettbewerb.

Vor dem Hintergrund, dass 2015/2016 eine Vielzahl von Konzessionsverträgen ausläuft und neu vergeben wird, gewinnen Rekommunalisierungsprojekte an Fahrt. Die öffentlichen Energieversorgungsunternehmen müssen sich hier einem komplexen Ausschreibungsverfahren mit hohen Anforderungen stellen – bei dem sie sich als starker Wettbewerber nur mit einem schlüssigen und wirtschaftlichen Konzept gegenüber ihren Mitbewerbern durchsetzen. Das klare Bekenntnis zu kommunalen Spielräumen bei der Konzessionsvergabe ist für eine sichere und nachhaltige Daseinsvorsorge durch die Stadtwerke unabdingbar.

Hans-Joachim Reck ist Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU).

CONTRA: Prof. Dr. Justus Haucap

Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE)© DICE

In der Sozialen Marktwirtschaft sollen Verantwortung und Haftung möglichst zusammenfallen. Wer investiert, soll auch haften, wenn die eingegangenen Risiken nicht aufgehen. Eine wesentliche Lehre aus der Finanzkrise ist genau diese: Wenn die Verantwortlichen nicht für ihre Entscheidungen haften, werden zu hohe Risiken eingegangen und dem Missmanagement Tür und Tor geöffnet.

Genau dies ist der Grund, warum kommunale Unternehmen im Durchschnitt weniger effizient arbeiten als private. Während private Unternehmen oft durch Großaktionäre, Investmentfonds oder auch Familieneigentümer streng beaufsichtigt werden und diese dann bei fallenden Aktienkursen oder gar im Bankrottfall auch für Fehlentscheidungen geradestehen müssen, werden kommunale Unternehmen durch kommunale Würdenträger und andere Vertreter beaufsichtigt, welche die Interessen des Steuerzahlers wahren sollen. Mit ihrem eigenen Geld stehen diese Personen aber nicht für ihre Entscheidungen gerade. Sowohl die fachliche Kompetenz als auch die Anreize dieser Aufsichtsgremien sind daher nur schwach ausgeprägt. Im Gegenteil: Es kommt nicht selten zur Kungelei. Nicht umsonst sind zahlreiche Positionen in der Leitung von Stadtwerken faktisch nach Parteibuch – nicht nach Qualifikation – besetzt.

Die kommunalen Aufsichtsgremien wiederum werden durch den Stadtrat (und indirekt die Lokalzeitung) kontrolliert. Allerdings neigen kommunale Unternehmen oftmals zu hoher Intransparenz. Während börsennotierte Unternehmen zahlreichen Publikationspflichten unterliegen, gilt das für Stadtwerke zumeist nicht – und das, obwohl es um öffentliche Gelder geht!

Trotz des gigantischen Missmanagements öffentlicher Projekte (Flughafen Berlin-Brandenburg, Nürburgring, Elb-Philharmonie, Stuttgart 21 etc.) scheint das allgemeine Vertrauen in die unternehmerischen Fähigkeiten von Staatsbediensteten und Politikern jedoch kaum in Frage gestellt zu werden. Dahinter verbirgt sich oft die gleichermaßen romantische als auch naive Vorstellung, Politiker hätten zuallererst das Gemeinwohl im Auge und würden ihre eigenen Interessen ganz systematisch hinten anstellen. Die Realität belehrt uns leider eines Besseren.
Aus diesen Gründen gehören Energienetze nicht in öffentliche Hand. Es ist sehr gut, dass Regulierungsbehörden die Netzbetreiber beaufsichtigen, damit diese nicht Monopolgewinne auf Kosten der Netznutzer einstreichen. Diese staatliche Aufsicht aber reicht aus: Das Management sollte Experten überlassen werden, für die das Parteibuch egal ist.

Prof. Dr. Justus Haucap ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Gründungsdirektor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE).