Von der Utopie zum Hoffnungsträger

Einst galt sie als Utopie, heute als große Chance für die Energiesysteme der Zukunft. Die Künstliche Intelligenz ist auf dem Weg in die Energiewende-Praxis.

HochspannungsmastenCopyright: Adobe Stock/kosssmosss

Wenig greifbar war er lange, der Begriff Künstliche Intelligenz, nicht nur für die Energiewende. Was bedeutet Künstliche Intelligenz eigentlich genau? Welchen Nutzen könnte sie für unser Energiesystem der Zukunft haben? Und wie weit werden Verbraucher damit in Berührung kommen? Es gab mehr Fragen als Antworten: Inzwischen ist die Künstliche Intelligenz (KI) in mehreren Bereichen der Energiewirtschaft längst Realität. Sie hat das Potenzial, die Integrierte Energiewende weiter voranzubringen, so das Ergebnis einer aktuellen Analyse der Deutschen Energie-Agentur (dena). Im Auftrag des BMWi hatte die dena für neun konkrete Anwendungsfelder unter anderem den technischen Entwicklungsstand und das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen untersucht sowie Handlungsempfehlungen abgeleitet. (Hier finden Sie die ganze Analyse). Im nächsten Schritt sollen diese nun erprobt und genutzt werden.

Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung, fasst die Analyse zusammen: "Erste positive Beispiele aus der Energiewirtschaft zeigen, dass Künstliche Intelligenz ein Treiber für neue Geschäftsmodelle sein kann, Innovationen beschleunigt und dabei hilft, Effizienzpotenziale zu heben. Besonders wichtig ist hier der Austausch und Wissenstransfer zwischen den Akteuren aus Energie- und Digitalbranche." Dr. Christoph Scholten, Leiter des Referats Digitalisierung der Energiewende im BMWi sagte dazu: "Künftig werden wir mehr und mehr KI-Komponenten in allen Stufen der Wertschöpfungskette sehen. Damit diese erfolgreich im Gesamtsystem zusammenspielen, ist es notwendig, schnell Wissen aufzubauen, um die Basis für eine ganzheitliche Strategie zur Anwendung von Künstlicher Intelligenz für die Energiewirtschaft zu legen".

Nutzen und Nachhaltigkeit sollen über den Einsatz entscheiden

Vor allem Nutzen und Nachhaltigkeit müssten über den Einsatz von KI entscheiden, heißt es in der Analyse weiter. Neben dem technischen und wirtschaftlichen Nutzen soll vor allem die Nachhaltigkeit zu einem zentralen Kriterium werden. Bei Prognosen, Betriebs- und Bestandsoptimierungen habe KI bisher das größte Potential, um einen Beitrag für die Energiewende zu leisten, so ein Fazit. Künstliche Intelligenz kann hier zum Beispiel genutzt werden, um die Netzauslastung zu verbessern und Engpässe früher zu erkennen oder den Einsatz von Erneuerbare-Energien-Anlagen besser zu planen. In den Anwendungsfeldern Instandhaltung und Sicherheit befindet sich die Anwendung von KI dagegen oft noch im Forschungsstadium, heißt es weiter. Spannend für Verbraucher: Auch ganz direkt für sie könnte der Einsatz von KI künftig viele Vorteile bringen, etwa durch den automatisierten Verkauf von selbst erzeugtem Strom aus privaten Photovoltaikanlagen.

Mit dem Analysebericht endet das Anfang 2019 gestartete Projekt "EnerKI – Einsatz Künstlicher Intelligenz zur Optimierung des Energiesystems". Ziel war es, den Wissensaufbau zu KI in der Energiewirtschaft zu stärken, dabei die Potenziale für die Energiewende auszuloten und gewonnene Erkenntnisse zur Verfügung zu stellen.

Future Energy Lab: innovative Technologien für den Energiesektor im Praxistest

Die Erkenntnisse des Projektes und der Analyse sind auch Grundlage des Ende August im Auftrag des BMWi gestarteten "Future Energy Lab". In diesem Zukunftslabor untersucht die dena gemeinsam mit Experten der Energiebranche Technologien für konkrete Anwendungen in der Energiewirtschaft. Zum Einsatz kommen dabei unter anderem Blockchain und Künstliche Intelligenz. Die Teilnehmer können sich über eine virtuelle Plattform miteinander austauschen.

"Wir haben die vergangenen Monate intensiv genutzt, um erste Partner aus allen Teilbereichen der Energiewirtschaft für das Projekt an Bord zu holen und die notwendige Infrastruktur für eine effiziente Zusammenarbeit aufzubauen. Vom DAX-Konzern bis zum Start-up, vom Übertragungsnetzbetreiber bis zum Hardware-Hersteller sind alle dabei, um gemeinsam an digitalen Lösungen für die integrierte Energiewende zu arbeiten", sagt Andreas Kuhlmann. Die ersten drei Pilotprojekte sind bereits an den Start gegangen. Sie sind Teil der Blockchain-Strategie der Bundesregierung.

Wie digitale Technologien helfen, Emissionen sichtbar zu machen

Ein Schlüssel zur Reduzierung von klimaschädlichem CO2 ist es zu wissen, wo genau es beispielsweise in Städten entsteht. Mit einem CO2-Datendemonstrator sollen die CO2-Emissionen deshalb in einer virtuellen Karte sichtbar gemacht werden. In dem Pilotprojekt werden die Emissionen verschiedener Städte im Bundesgebiet betrachtet, darunter Bottrop, Dortmund, Gießen, Münster, Brandenburg an der Havel, Templin, Chemnitz und Konstanz. Durch das Projekt soll das Bewusstsein der Bürger vor Ort für den Klimaschutz auf kommunaler Ebene gestärkt und das Konzept einer Energiedatenplattform erprobt werden.

Smarte Verträge für die Energiewirtschaft

Um digitale Vertragsbeziehungen, sogenannte "Smart Contracts", geht es im zweiten Pilotprojekt. Um diese für die Energiewirtschaft nutzbar zu machen, müssen sie zuerst standardisiert, automatisiert und rechtssicher sein. Daran werden Experten aus den Bereichen Recht, Normung, IT und Energiewirtschaft bald gemeinsam arbeiten. Das Projekt startet voraussichtlich Ende 2020. Interessierte können sich noch bei der dena melden.

Infrastruktur für das digitale Energiesystem der Zukunft

Mit dem Blockchain Machine Identity Ledger sollen technische Geräte bald eindeutig identifiziert werden können (Machine Identity). Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines Prototyps mit großem Potential: Entstehen soll eine Infrastruktur, die eine Basis für das digitale Energiesystem der Zukunft sein könnte. In dem Pilotprojekt arbeiteten mehr als 20 Partner mit, darunter Großkonzerne, neue und etablierte Unternehmen aus der Digital- und Energiebranche und ein wissenschaftliches Begleitteam.

SET Hub: Unterstützung für Energiewende-Start-ups

Wissensvermittlung ist auch das Ziel des SET-Hubs, eines eigenen Drehkreuzes für Energiewende-Start-ups. Mit dem SET Hub bietet die dena jungen Energiewende-Unternehmen kostenfreie Unterstützung bei der Ausrichtung ihrer Geschäftsmodelle auf die Energiewende an, darunter Wissensvermittlung zum Energiesystem, individuelle Beratung und Kontakte für Gründerinnen und Gründer. Erster Baustein des Projekts ist die SET-Academy. In Kooperation mit Forschungseinrichtungen und Universitäten vermitteln zweitägige Workshops Grundlagenwissen zum Energiesystem und Fachwissen zu speziellen Themen für Energie-Start-ups. Die nächste SET-Academy startet am 8. und 9. Oktober 2020 in Essen. Alles zu den Angeboten des SET-Hub finden Sie hier.

Auch mit den Set-Academies wird das Wissen über Künstliche Intelligenz in der Energiewende weitergegeben. Damit es auf dem Weg in ein neues Energiezeitalter bald noch viel mehr Antworten als Fragen gibt.