Was ist eigentlich grüner Wasserstoff?

Grün, Blau, Grau, Türkis. Warum das eigentlich farblose Gas als Hoffnungsträger der Energiewende plötzlich Farbe bekommt? Hier entlang für eine kleine Wasserstoff-Farbenlehre.

Illustration: Erneuerbare Energien, Fabrikgebäude und Wohnhaus unter einer Lupe© BMWi

Darum geht's: Grüner Wasserstoff soll zum Beispiel energieintensiven Branchen wie der Stahl- oder Chemieindustrie zur Klimaneutralität verhelfen: Er kann so nicht nur die Wirtschaft revolutionieren, sondern auch die Energiewende voranbringen.

Der Stoff hat das Zeug zu einem Hollywoodstreifen: Wasserstoff ist auf unserer Erde reichlich vorhanden. Farblos fristet er sein Dasein bisher fast ausschließlich in chemischen Verbindungen (Wasser, Säuren oder Kohlenwasserstoffen). Auf der Suche nach vielfältig einsetzbaren Energieträgern als Alternative zu ihren fossilen Vorgängern wird grüner Wasserstoff schließlich als Schlüsselrohstoff "entdeckt" und mausert sich vom farblosen Gas zum schillernden Star der Energiewende. Seine Starqualitäten gründen neben seiner Rolle als alternativer Treibstoff in der Brennstoffzelle und als Rohstoff für die Industrie, auch auf der Möglichkeit, mit ihm Energie leicht speichern und transportieren zu können. Das kann die Energieversorgung der Zukunft deutlich flexibler machen. Je höher die Energieanforderung, desto mehr zahlen sich die Vorteile von Wasserstoff gegenüber dem Strom aus der Steckdose oder Batterien aus.

Gewonnen wird der umschwärmte Stoff durch die Aufspaltung von Wasser (H2O) in Sauerstoff (O2) und Wasserstoff (H2). Wird dafür elektrischer Strom genutzt, spricht man von Elektrolyse. Allerdings wird viel Energie benötigt, um das Molekül H2 abzuspalten.

Grüner Wasserstoff ist ein Schlüsselelement der Energiewende

Kommt der Strom für die Elektrolyse aus erneuerbaren Energien wie Wind oder Sonne, sogenannten grünen Energien, darf sich der Wasserstoff mit dem Zusatz "grün" schmücken. Wird er auf diesem Weg gewonnen ist Wasserstoff CO2 frei und ein Segen fürs Klima. Denn dann entstehen bei seiner Herstellung keine schädlichen Treibhausgase. Das Verfahren wird auch als Power-to-Gas bezeichnet und ist eine der sogenannten Power-to-X-Technologien (PtX-Technologien). Bei Power-to-X wird Strom genutzt, um Energie in eine für bestimmte Anwendungen nützlichere Form umzuwandeln - zum Beispiel um Gase (Power-to-Gas), Wärme (Power-to-Heat) oder flüssige Energieträger (Power-to-Liquid) herzustellen. PtX-Technologien gelten als wichtige Lösungen, um die Klimaziele einhalten zu können und den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern.

Blauer Wasserstoff als Brücke in das Wasserstoffzeitalter

Langfristig ist nur CO2-freier Wasserstoff, der mit Hilfe erneuerbarer Energien erzeugt wurde, nachhaltig. Auch der sogenannte blaue Wasserstoff kann aber zumindest für eine Übergangsfrist einen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten. Er wird aus Kohlenwasserstoffen (vor allem aus Erdgas) hergestellt, wobei auch CO2 entsteht. Das CO2 wird abgefangen und unterirdisch gelagert (sogenannte Carbon-Capture-and-Storage, CCS). Blauer Wasserstoff ist also CO2-neutral, da bei seiner Herstellung zwar CO2 entsteht, aber nicht in die Atmosphäre entweicht.

Noch ist die Erzeugung von CO2-freiem (grünem) Wasserstoff teuer und für die Umstellung vieler industrieller Produktionsprozesse auf wasserstoffbasierte Anlagen sind hohe Investitionen nötig. Ziel der am 10. Juni 2020 verabschiedeten Nationalen Wasserstoffstrategie ist es deshalb, möglichst viel grünen Wasserstoff selbst kostengünstig zu produzieren. Dazu braucht Deutschland internationale Kooperationen und einen großen Absatzmarkt.

Allein mit der innerdeutschen Produktion lässt sich der Bedarf an grünem Wasserstoff dennoch nicht decken. "Deutschland wird einen erheblichen Teil des zukünftigen Bedarfs an CO2-freiem beziehungsweise CO2-neutralem Wasserstoff importieren müssen", sagte Bundeswirtschaftsminister Altmaier dazu dem Handelsblatt. Dafür braucht Deutschland Energiepartnerschaften mit Lieferländern und Ländern, die potenzielle Absatzmärkte für deutsche Wasserstofftechnologien sind.

"Grauen" durch "grünen" Wasserstoff in der Industrie ersetzen

"Grauer" Wasserstoff kommt schon jetzt vor allem in der Chemieindustrie im großen Stil zum Einsatz, ist aber anders als blauer Wasserstoff nicht CO2-neutral. Denn bei seiner Herstellung wird das CO2 nicht wie beim blauen Wasserstoff abgeschieden und gespeichert, sondern in die Atmosphäre abgegeben, wo es den Treibhausgaseffekt verstärkt. Auch grauer Wasserstoff wird aus fossilen Energiequellen wie Erdgas gewonnen, das unter Hitze in Wasserstoff und CO2 umgewandelt wird (Dampfreformierung). Bei der Produktion einer Tonne Wasserstoff entstehen so rund zehn Tonnen CO2. In der Industrie sollen künftig bei vielen Prozessen CO2-frei oder CO2-neutral erzeugter Wasserstoff oder daraus hergestellte Folgeprodukte wie Ammoniak und Methanol zum Einsatz kommen. Hier kann der "graue Wasserstoff" ohne aufwendige Anpassungen zumindest teilweise durch "grünen Wasserstoff" ersetzt werden.

Türkiser Wasserstoff kommt ohne Speicher unter der Erde aus

Türkiser Wasserstoff hat wieder eine andere Entstehungsgeschichte. Er wird durch die thermische Spaltung von Methan (Methanpyrolyse) hergestellt. Anstelle von CO2 entsteht dabei neben Wasserstoff fester Kohlenstoff. Bei der Herstellung von türkisem Wasserstoff muss deshalb kein gasförmiges Kohlendioxid unterirdisch gespeichert werden. Voraussetzungen für die CO2-Neutralität des Verfahrens sind die Wärmeversorgung des Hochtemperaturreaktors aus erneuerbaren Energiequellen und eine dauerhafte Bindung des Kohlenstoffs. Der Kohlenstoff könnte in der Industrie beispielsweise für die Produktion von Leichtbaustoffen oder für die Batteriefertigung genutzt werden.

In der Nationalen Wasserstoffstrategie ist die spannende Zukunft der Wasserstoff-Nutzung in Deutschland vorgezeichnet.