Mehr Sicherheit für die Leuchttürme der Luftfahrt

Das Forschungsprojekt WERAN untersucht den Einfluss von Windenergieanlagen auf Navigationsanlagen der Luftfahrt. Mit den Ergebnissen sind jetzt bereits in der Planungsphase neuer Windparks genaue Prognosen über eventuelle Störungen möglich.

Windrad und Drohne© PTB

Die richtigen Antworten auf wichtige Fragen unserer Zeit zu finden, das wünscht sich jeder Forscher. Mit der wachsenden Bedeutung erneuerbarer Energien für unsere Energieversorgung kommen immer neue Forschungsfragen hinzu, auf die Antworten gesucht werden. Mehr Flächen für den Ausbau der Windenergie an Land werden benötigt - doch wie nah dürfen Windräder zum Beispiel an Navigationseinrichtungen für die Luftfahrt gebaut werden und welchen Einfluss haben sie auf diese? Wie groß ihre mögliche Störwirkung tatsächlich ist und wie sie präzise gemessen werden kann, das können Forscherinnen und Forscher der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) jetzt weltweit erstmals genau beantworten.

Die Leuchttürme der Luftfahrt

Die Deutsche Flugsicherung (DFS) betreibt rund 60 Navigationsanlagen. Diese auch Drehfunkfeuer genannten, flachen Bodenstationen senden mit kreisförmig angeordneten Antennen permanent UKW-Funksignale. Vergleichbar mit Leuchttürmen weisen sie Flugzeugen den Kurs und sorgen so für Sicherheit im Luftraum. Doch Windenergieanlagen können die Übertragung der von den Funkfeuern ausgesandten Radiowellen und damit die Genauigkeit der Richtungsbestimmung stören. Denn die Funkwellen können an den Oberflächen der Anlagen streuen und reflektiert werden. Dadurch erzeugen sie einen so genannten Winkelfehler und das Signal der Navigationsanlage kommt leicht verfälscht im Flugzeug an. Das Flugzeug könnte theoretisch vom geplanten Kurs abkommen. Deshalb wird der Bau von Windenergieanlagen in einem bestimmten Radius rund um Drehfunkfeuer besonders genau auf mögliche Störungen untersucht.

In dem vom BMWi geförderten Forschungsprojekt WERAN hat die PTB mit ihren Projektpartnern die wissenschaftlichen Grundlagen der bisherigen Bewertungsverfahren untersucht, neue Messtechnik erdacht und eine sogenannte Vollwellensimulationen zur Winkelfehleranalyse entwickelt. Im aktuell laufenden Nachfolgeprojekt WERAN plus erarbeiten die Forscherinnen und Forscher nun eine neue Prognosemethode, um die mögliche Störwirkung von Windenergieanlagen auf Drehfunkfeuer bereits im Voraus realistischer einschätzen zu können. Im Fokus stehen dabei sogenannte DVOR-Navigationsanlagen (Doppler Very High Frequency Omnidirectional Radio Range), aber auch konventionelle Drehfunkfeuer (VOR - kurz für Very High Frequency Omnidirectional Radio Range, also Ultrakurzwelle). Ziel ist es, die Ermittlung notwendiger Prüfradien rund um Drehfunkfeuer auf eine streng physikalische Basis zu stellen und auf diese Weise perspektivisch die bisherigen Ausschlussflächen für Windenergieanlagen zu verkleinern, ohne die Sicherheit des Flugverkehrs zu verringern.

Drohnen mit präziser Navigation

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickelten dazu Drohnen mit Präzisionsnavigation. Ihre acht Rotoren machen einen stationären Schwebflug möglich (Oktokopter). So können sie Vor-Ort-Messungen in bis zu mehreren Hundert Metern Höhe durchführen. Mit speziell dafür entwickelter Hochfrequenzmesstechnik und in die Drohnen integrierten Antennen konnten sie präzise erfassen, wie sich die DVOR-Funksignale ausbreiten, an den Anlagen reflektiert und gestreut werden. Außerdem konnten sie messen, wie sich die reflektierten Signale mit den direkten Signalen der DVOR überlagern und zu einem Winkelfehler führen. Sie zeigten auch auf, welchen Beitrag Windenergieanlagen am Gesamtwinkelfehler von DVOR tatsächlich haben und welche Einflüsse auf das Konto anderer Quellen wie Bauwerke, Hochspannungsleitungen oder Bewaldung gehen.

Gleichzeitig erarbeiteten die Projektpartner an der Leibniz Universität Hannover Simulationsverfahren, mit denen am Großrechner ermittelt werden kann, wie groß der durch Windenergieanlagen verursachte Winkelfehler ist. Die Ergebnisse dieser Simulationen verglichen die Forscherinnen und Forscher mit den detaillierten Messdaten aus den Oktokopter-Flügen. Aktuell arbeitet die Jade Hochschule daran, mit dem bemannten Forschungsflugzeug "Jade One" (D)VOR-Signale auf größeren Strecken - zum Beispiel auf See - zu messen. So sollen auch dort die Wechselwirkung der Windenergieanlagen mit den Navigationsanlagen untersucht werden.

Schnellere und genauere Entscheidungen bei Bauanträgen

Die gute Übereinstimmung der Messungen in Windparks mit den Simulationen und den Ergebnissen des verbesserten Prognosewerkzeuges hat einen neuen Stand der Technik gebracht, der nun in der Praxis umgesetzt wird: Seit dem 1. Juni 2020 gilt eine neue Formel zur Berechnung von Störungen auf Funknavigationsanlagen. Diese haben das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) und die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) auf Grundlage der Forschungsergebnisse der PTB neu erarbeitet. Das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) und das BMWi haben sich außerdem auf weitere Maßnahmen geeinigt. Nach ausreichender Bestätigung der neuen Prüfmethodik soll demnach eine Änderung des Radius von Prüfbereichen vorgenommen werden, der heute noch bei 15 Kilometern liegt.

Für den Ausbau der Windenergie an Land sind diese Entscheidungen ein positives Signal. Mit der neu entwickelten Prognosemethode könnte in Zukunft schneller und genauer über Bauanträge entschieden werden. Mit der neuen Methodik können nun bereits bei der Planung von Windparks präzise Voraussagen über mögliche Störungen auf Funknavigationsanlagen getroffen werden. Welche konkreten Verbesserungen im Einzelfall an den jeweiligen Drehfunkfeuer-Standorten entstehen, wird die Praxis zeigen.

Auch ein im Rahmen von "WERAN plus" durchgeführter Ringvergleich verschiedener Prognosemethoden für Störwirkungen von Windenergieanlagen soll zusätzliche Erkenntnisse bringen. Mit ihm haben Institutionen - die sich ebenfalls mit dem Einfluss von Windenergieanlagen auf DVOR-Signale beschäftigen - die Möglichkeit, die Forschungsergebnisse von "WERAN plus" nachzuvollziehen und in Beziehung zu eigenen Ergebnissen zu setzen. Im Anschluss werden die Ergebnisse dann miteinander verglichen.