Energiewende als Innovationsmotor

Vom "Heizen mit Eis" bis zum Strom speichernden Elektroauto: Neue Technologien und Ideen für die Energielandschaft der Zukunft auf der Hannover Messe.

Finger einer Roboterhand berühren eine schwebende Kugel aus Energie© Fotolia/sdecoret

Die Hannover Messe war schon immer Schauplatz für Innovation und Aufbruch. "Exportfähige Qualitätserzeugnisse" begutachtete bei der Eröffnung der ersten Messe 1947 der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer, während er sich Fischbrötchen schmecken ließ und durch fünf Ausstellungshallen mit 30.000 Quadratmetern flanierte. Heute, 72 Jahre später, hat sich die Ausstellung zur weltgrößten Industrieschau entwickelt. Mehr als 215.000 Interessierte besuchten in diesem Jahr das größte Messegelände der Welt mit 65.000 Ausstellern zum Thema "Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen". Geblieben ist die Faszination für Innovationen "Made in Germany" und die Welt der Zukunft.

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen

Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) war, wie jedes Jahr, auf der Hannover Messe vertreten. Unter dem Motto "Aus Ideen werden Innovationen" präsentierte das Ministerium zahlreiche Förderprojekte und Programme, auch aus dem Energiebereich. Klare Botschaft: Die Energiewende wirkt als Innovationsmotor. Zahlreiche neue Entwicklungen, Technologien und Produkte werden es künftig noch einfacher machen, erneuerbare Energien effizient zu nutzen.

Kleine Energieerzeuger: Digitale Plattform für gemeinsame Vermarktung

Das vom BMWi geförderte Projekt "Smart Energy Communities" (SMECS) zum Beispiel ist besonders für Energieerzeuger wie Hausbesitzer und kleine Erzeugergemeinschaften interessant. Über eine digitale Plattform können sie gemeinsam selbst erzeugten Strom direkt vermarkten - ohne teuren Umweg über den Großhandel.

Und das geht so: Jeder der kleinen Stromproduzenten erzeugt und benötigt zu verschiedenen Zeiten individuelle Mengen Energie. Die unterschiedlichen Angebots- und Nachfragebedürfnisse gilt es für alle beteiligten Stromproduzenten bestmöglich aufeinander abzustimmen. Erst dann ist eine gemeinsame, kostengünstige und transparente Vermarktung möglich. Dafür nutzt das Herzstück des Projektes, die SMECS-Plattform, aktuelle Technologietrends wie Blockchain, Internet der Dinge, Smart Services, Big Data Analytics und Cloud Computing. Im Rahmen des Projektes werden anhand von Szenarien derzeit verschiedene Preis- und Vermarktungsmodelle getestet.

Maximale Reichweite für Elektrofahrzeuge

"Innovative Hyper-Hochdrehzahl-Antriebskonzepte": Was klingt wie aus einem Action-Film entliehen, könnte zukünftig die Reichweite von Elektrofahrzeugen erhöhen und gleichzeitig deren Betriebskosten reduzieren. Dafür entwickelten Experten des Förderprojektes "Speed4E" einen sogenannten Hochdrehzahl-Antriebsstrang. Während heutige Serien-Elektrofahrzeuge mit einer maximalen Drehzahl von 10.000 bis 15.000 Umdrehungen pro Minute angetrieben werden, schraubt der Hochdrehzahl-Antrieb die Motordrehzahl auf 30.000 Umdrehungen pro Minute hoch. Die Folge: Der Motor benötigt weniger Platz und bringt mehr Leistung. Die kleineren und leichteren Antriebe wären nicht nur effizienter, sondern auch wirtschaftlicher, denn sie könnten um bis zu 30 Prozent günstiger produziert werden.

E-Cars als mobile Energiespeicher

Mit einem solchen Antriebskonzept ausgestattet, könnte das Elektroauto gleich weiter rollen zum Projekt "lokSMART JETZT!", um sich zusätzlich als mobiler Stromspeicher nützlich zu machen. Mit dem steigenden Anteil erneuerbarer Energien am Strommix werden mobile Energiespeicher zukünftig immer wichtiger. Denn nicht immer, wenn der Wind kräftig weht oder die Sonne wolkenlos am Himmel strahlt, werden auch viel Wind- und Sonnenenergie benötigt und können in großer Menge in die Netze eingespeist werden. Hier helfen mobile Speichersysteme, die erneuerbar erzeugte Energie "zwischenzuparken". Im Rahmen des Projektes werden Technologien entwickelt, mit deren Hilfe Elektrofahrzeuge als mobile Speicher über Gleichstrom-Ladestationen in sogenannte autarke lokale Smart Grids eingebunden werden können. Ein lokales Smart Grid setzt die Idee intelligenter Stromnetze auf kleine Einheiten wie Gebäude und Gewerbe-Komplexe um. Das eignet sich besonders für Stromkonsumenten, die Strom für den eigenen Bedarf teilweise oder ganz selbst erzeugen. Gleichstrom-Ladestationen wiederum sind besonders energieeffizient und minimieren Verluste. Anders als bei herkömmlichen Wechselstromladestationen geht beim Gleichstromladen keine Energie mehr durch die sonst notwendige Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom verloren. Der Energieaustausch erfolgt zwischen zwei Batterien, zwischen denen Gleichstrom fließt. Zum Beispiel zwischen einer Autobatterie und einer Pufferspeicherbatterie im Haus.

Kältespeicher für Klimaanlagen und "Heizen mit Eis"

Kälte als Energiespeicher nutzen die Fachleute vom Institut für Luft- und Kältetechnik (ILK Dresden). Das gelingt ihnen besonders effizient und flexibel mit einem neuartigen Vakuumeis-Verfahren. Mit diesem Verfahren wird immer dann pumpfähiges, also flüssiges Eis erzeugt, wenn Energie aus erneuerbaren Energien zur Verfügung steht. Die so gespeicherte Energie ist flexibel nutzbar, was in bisherigen Verfahren nicht der Fall war. Es wird immer dann gekühlt, wenn viel Energie zur Verfügung steht. Das Vakuum-Flüssigeis kann Kälte zum Beispiel in Klima- und Prozesskühlanlagen speichern. Solche Anlagen benötigen viel Strom, gerade in warmen Regionen. Die Technologie eignet sich außer zum Kühlen auch zum "Heizen mit Eis" oder zur Erschließung von Gewässern als Wärmequelle - indem aus Eis wieder Strom oder Wärme wird.

Wo fließt sie denn? So wird Energie in Produktionsprozessen sichtbar

Welches Unternehmen möchte nicht energieeffizienter produzieren? Das Mittelstand-4.0-Kompetenzzentrum Darmstadt erklärte auf der Hannover-Messe, wie es gehen kann: mit einem eigens entwickelten "Demonstrator". Dieser zeigt, wie spezielle Software Energieflüsse in der Produktion erfasst und sichtbar macht. Dadurch wird es einfacher, Einsparmöglichkeiten zu entdecken und den Verbrauch zu senken. Unternehmen bietet das Mittelstand-4.0-Kompetenzzentrum Workshops für die Schulung am Demonstrator an.

Für einen Platz am Demonstrator hätte sicher auch der technikbegeisterte Konrad Adenauer das Fischbrötchen aus der Hand gelegt. Der passionierte Erfinder – für eine Sojawurst und ein "Notzeitenbrot" erhielt er sogar Patente – hatte übrigens auch einen Sinn fürs Energiesparen: Seine Stehlampe versah er mit einer Zeitschaltuhr, die nach 30 Minuten automatisch das Licht löschte.