Neue Trends für neues Forschungsprogramm

Im Sommer soll das 7. Energieforschungsprogramm erscheinen. Die Auswertung des 2017 gestarteten Konsultationsprozesses zeigt, welche Forschungsthemen im Fokus stehen. Ganz vorne mit dabei: Sektorkopplung und Digitalisierung.

Junger Mann mit Lupe vor dem rechten Auge.© Adobe Stock/Stillkost

Im Sommer soll das 7. Energieforschungsprogramm der Bundesregierung erscheinen. Zum ersten Mal in der 40-jährigen Geschichte dieses Programms gab es dazu im letzten Jahr einen breit angelegten öffentlichen Konsultationsprozess, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) initiiert hatte. Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik beteiligten sich in mehr als 40 schriftlichen Beiträgen an diesem Prozess und erteilten Empfehlungen und Einschätzungen. Darunter befinden sich auch die Expertenempfehlungen der mittlerweile circa 2.800 Mitglieder starken Forschungsnetzwerke Energie des BMWi.

Die Forschungstrends, die das BMWi aus den Ergebnissen des Konsultationsprozesses ausmachen konnte, wurden Ende Februar in Berlin vorgestellt und diskutiert. Dabei zeichneten sich einige Trends besonders deutlich ab, darunter Digitalisierung, Sektorkopplung und das neue Format der Reallabore. Diese Themen waren von den Experten im Vorfeld am häufigsten als neue Forschungsschwerpunkte genannt worden.

Voll im Trend: Die Energiewende wird digital

Die Digitalisierung ist ein wichtiger Bestandteil der Energiewende. Das liegt daran, dass die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien je nach Tageszeit und Wetterlage stark schwankt und zudem viele kleine Anlagen Strom erzeugen statt wie bisher einige große Kraftwerke. Deshalb müssen Stromnetze, -erzeuger und -verbraucher in Zukunft intelligenter miteinander vernetzt werden, damit der Strom immer genau dorthin gelangen kann, wo er gerade benötigt wird.

Dazu benötigen wir jedoch ein Daten- und Energienetz mit völlig neuen Strukturen und Funktionalitäten: Das Stromnetz muss zu einem intelligenten Stromnetz – einem sogenannten Smart Grid – werden, das stets für einen automatischen Ausgleich von Stromerzeugung und -verbrauch sorgt. Die Stromzähler werden darin zu modernen Messsystemen, Stichwort: Smart Meter. Sie werden den Stromverbrauch oder die eingespeiste Strommenge messen, Abrechnungen erstellen, Spannungsausfälle protokollieren und die Netzbetreiber mit wichtigen Informationen informieren, um Erzeugung, Netzbelastung und Verbrauch weitgehend automatisiert aufeinander abzustimmen. Die Übertragung dieser Daten soll auf einem sehr hohen Sicherheitsniveau erfolgen, den alle Smart Meter nachweislich erfüllen müssen – Datenschutz und -sicherheit sind somit stets gewährleistet.

Viele kleinere Stromerzeugungsanlagen werden sich zudem zu virtuellen Kraftwerken zusammenschließen und steuern lassen, um besser auf Angebot und Nachfrage reagieren zu können. Und E-Autos können in Zukunft als Stromspeicher dienen, indem sie Strom genau dann tanken, wenn das Angebot gerade zu groß ist. All diese Themen müssen jedoch noch systematischer erforscht werden, ebenso wie Fragen der Betriebs- und Datensicherheit sowie des Datenschutzes, die über den sicheren Betrieb von Smart Meter hinausgehen (mehr zur Digitalisierung der Energiewende finden Sie hier).

Ebenfalls Trend: Wärme und Strom aus Erneuerbaren für alle Sektoren

Die Digitalisierung spielt auch beim zweiten großen Trend, der Sektorkopplung, eine entscheidende Rolle. Gemeint ist die energieeffiziente Verbindung des Strommarkts mit dem Wärme-, Verkehrs- und Industriesektor, um fossile Brennstoffe durch erneuerbaren Strom zu ersetzen und dadurch den Ausstoß des Treibhausgases CO2 perspektivisch auf null zu senken. Konkret geht es beispielsweise darum, immer mehr E-Autos effizient mit Wind- und Solarstrom zu "betanken", Gebäude über Wärmepumpen zu heizen oder Industrieanlagen, die viel Wärme oder Kälte erzeugen müssen, mit erneuerbarem Strom oder erneuerbarem Gas zu betreiben. Dabei soll eine möglichst geringe Menge Strom möglichst viel fossilen Brenn- oder Treibstoff ersetzen.

Durch verstärkte Forschung können die Kosten für die Integration und Nutzung der Erneuerbaren in allen drei Sektoren weiter sinken – beispielsweise indem die digitale Vernetzung die schwankende Stromerzeugung der Erneuerbaren passgenau mit dem Strombedarf in allen Sektoren abgleicht; oder indem die Wirkungsgrade bei der Umwandlung von Strom in Wasserstoff, Methan, synthetische Kraftstoffe oder chemische Grundstoffe verbessert werden (wie Sektorkopplung genau funktioniert, lesen Sie hier).

Reallabore als neue Fördersäule für mehr Praxistransfer

Die nötige Forschungsarbeit speziell im Bereich Sektorkopplung lässt sich übrigens besonders gut in sogenannten Reallaboren leisten, die ebenfalls zu den neu ausgemachten Forschungstrends gehören. Sie sind ein neues Format zwischen Forschung und Markteinführung, das die angewandte Forschung in Richtung Praxistransfer ergänzt und es den Wissenschaftlern erlaubt, innovative Technologien, Verfahren und Geschäftsmodelle in einem größeren systemischen bzw. ganzheitlichen Kontext zu erproben. Es ist geplant, Reallabore als neue Fördersäule im 7. Energieforschungsprogramm einzuführen und damit den Transfer innovativer Energietechnologien in die praktische Anwendung zu unterstützen.

In Arbeit: weitere Ergebnisse ab Ende März

Die vollständige Auswertung des Konsultationsprozesses wird Ende März auf dem Onlineportal Energieforschung.de des BMWi veröffentlicht. Die Ergebnisse werden in das neue Energieforschungsprogramm einfließen, das voraussichtlich im Sommer dieses Jahres erscheinen wird.

Das Energieforschungsprogramm der Bundesregierung gibt es bereits seit 1977 – lange vor der Energiewende. Seitdem haben um die 17.300 Projekte rund um die Energieforschung insgesamt etwa 12 Milliarden Euro an finanzieller Unterstützung erhalten. Das Programm wird unter der Federführung des BMWi kontinuierlich weiterentwickelt und erscheint 2018 in seiner nunmehr siebten Fassung (mehr zum Energieforschungsprogramm erfahren Sie hier).