Gemeinschaftsprojekt Energiewende – Was sind die nächsten Schritte?

Hunderte haben mitdiskutiert: Die Ergebnisse der Konsultationsprozesse zum Grünbuch Energieeffizienz und zum Impulspapier Strom 2030 liegen vor.

Familie beim Wandern.© istockphoto.com/mediaphotos

Welche Schritte sind in den nächsten Jahren nötig, um die Energieversorgung in Deutschland langfristig bezahlbar, sicher und klimafreundlich zu gestalten? Darüber haben in den vergangenen Monaten Hunderte Bürger und Vertreter von Verbänden und Unternehmen, aus Wissenschaft und Politik intensiv diskutiert. Jetzt hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die Ergebnisse der beiden im Sommer 2016 gestarteten Konsultationsprozesse präsentiert. Der Auswertungsbericht zur Konsultation des Grünbuchs Energieeffizienz wurde ebenso vorgestellt wie das Ergebnispapier Strom 2030.

BMWi-Staatssekretär Rainer Baake hierzu: "Es gibt inzwischen einen breiten Konsens, dass eine kosteneffiziente Erreichung der Energiewendeziele einen Dreiklang erfordert." Das bedeutet:

1. Vorrang für Energieeffizienz

In allen Bereichen muss der Energiebedarf deutlich und dauerhaft verringert werden. Es gilt der Grundsatz "Efficiency First". Die Nutzung der fossilen Energieträger Öl, Kohle und Gas wird dabei so weit wie möglich verringert. Der schnellste und direkteste Weg zu diesen Zielen ist, unseren Energieverbrauch durch Investitionen in Effizienztechnologien zu senken. Dies begrenzt auch den Bedarf an Erzeugungsanlagen, Netzen, Rohstoffen und Speichern. Den verbleibenden Energiebedarf decken größtenteils erneuerbare Energien.

2. Direkte Nutzung erneuerbarer Energien

Technologien wie Solarthermie, Geothermie oder Biomasse nutzen erneuerbare Energien direkt, ohne dass eine Umwandlung in Strom nötig wäre. Solar- und Geothermie werden vor allem für die Heizung und Klimatisierung von Gebäuden und die Bereitstellung von Warmwasser verwendet. Biomasse spielt in der Industrie und im Verkehr eine wichtige Rolle.

3. Erneuerbarer Strom für Wärme, Verkehr und Industrie

Erneuerbarer Strom wird in den Bereichen Wärme, Verkehr und Industrie effizient eingesetzt. Dabei spricht man von Sektorkopplung. Der Energiebedarf, der trotz Effizienzmaßnahmen und direkter Nutzung erneuerbarer Energien verbleibt, wird durch Strom aus Wind und Sonne gedeckt.

Rahmenbedingungen für Sektorkopplung verbessern

Die Sektorkopplung wurde in beiden Prozessen – also zum Grünbuch Energieeffizienz und Impulspapier Strom 2030 – intensiv diskutiert. Die zentralen Ergebnisse: Bei der Sektorkopplung müssen effiziente Technologien genutzt werden, die mit möglichst wenig erneuerbarem Strom möglichst viele fossile Brennstoffe ersetzen. Derzeit wird Strom höher mit Steuern und Abgaben belastet als fossile Heiz- und Kraftstoffe. Damit sich der Einsatz von Strom in den anderen Sektoren rechnet, brauchen wir eine Reform von Umlagen, Entgelten und Steuern. Dafür müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden. Ein Wirtschaftsverband schreibt in seiner Stellungnahme zum Grünbuch Energieeffizienz dazu: "Ein wichtiger Baustein, um die Wettbewerbsbedingungen zwischen erneuerbarem Strom und fossilen Brennstoffen zu verbessern und die Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen zur Sektorkopplung sicherzustellen, ist die Neuregelung von Umlagen und Abgaben." Den Stellungnahmen nach müssen zudem Infrastrukturen wie Stromnetze und Ladepunkte für Elektroautos modernisiert und ausgebaut werden. Förderinstrumente können Forschung und Entwicklung unterstützen und neue Technologien an den Markt heranführen.

Effizienzinstrumente weiterentwickeln

Die Forderung nach Vorrang für Energieeffizienz fand im Konsultationsprozess zum Grünbuch Energieeffizienz große Zustimmung. Jetzt kommt es darauf an, das Prinzip umzusetzen und zu verankern, etwa in einem Energieeffizienzgesetz. Damit die Ziele zur Senkung des Energieverbrauchs erreicht werden können, müssen bestehende Effizienzinstrumente noch schlagkräftiger gestaltet und durch neue Elemente ergänzt werden. Außerdem wird sich die Bundesregierung weiterhin für ambitionierte Energieeffizienzziele und -vorschriften auf EU-Ebene einsetzen. Darüber hinaus bietet die Erfassung von Energieverbräuchen große Potenziale, um neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Gleichzeitig müssen hohe Standards für Datenschutz und ein sicherer Betrieb der IT-Infrastruktur gewährleistet werden.

Stromnetze weiter ausbauen und System flexibilisieren

Damit das hohe Maß an Versorgungssicherheit auch in Zukunft bei zunehmend dezentraler Erzeugung gehalten wird, müssen in den kommenden Jahren die Stromnetze weiter ausgebaut, modernisiert und digitalisiert werden. Für den Netzausbau ist es wichtig, dass Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen und frühzeitig den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern suchen. Ein flexibles Stromsystem integriert Wind- und Sonnenstrom kosteneffizient. Gut ausgebaute Stromnetze in Deutschland und Europa gleichen die Schwankungen von Wind und Sonne aus. Damit konkurrieren auch flexible Erzeuger, flexible Verbraucher und Speicher in einem großen verbundenen Marktgebiet um die kostengünstigste Lösung.

Bei der Versorgungssicherheit europäisch denken

Für eine enge Zusammenarbeit auf europäischer Ebene sprechen folgende Punkte: Mehr europäischer Wettbewerb an den Strommärkten sorgt für geringere Preise. Darum ist es richtig, die Integration des europäischen Stromgroßhandels zügig zu vollenden. Die zunehmende europäische Vernetzung macht klar: Rein nationale Analysen der Versorgungssicherheit sind im Strombinnenmarkt nicht mehr zeitgemäß. Deswegen ist es konsequent, Versorgungssicherheit europäisch zu bewerten. Umgekehrt ist es auch wichtig, dass Erzeugungskapazitäten im Ernstfall für die nationale Versorgungssicherheit grenzüberschreitend zur Verfügung stehen.

Breite Beteiligung der Öffentlichkeit

Zum Impulspapier Strom 2030 gingen insgesamt 136 Stellungnahmen von Ländern, Verbänden, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und wissenschaftlichen Instituten sowie Bürgerinnen und Bürgern ein. Ähnlich viele waren es beim Grünbuch Energieeffizienz: 145 Stellungnahmen kamen zusammen, viele davon bündeln als gemeinsame Einreichungen die Stimmen mehrerer Akteure. Zusätzlich wurden auf der eigens für das Grünbuch eingerichteten Webseite und den öffentlichen Dialogveranstaltungen die Thesen des Grünbuchs ausführlich diskutiert. Am häufigsten nutzten Verbände die Möglichkeit zur Stellungnahme, aber auch viele Unternehmen und Privatpersonen brachten sich auf diesem Wege ein.

Wie geht’s weiter?

Die effizienzbezogenen Handlungsoptionen aus dem Auswertungsbericht Grünbuch Energieeffizienz sollen in einem nächsten Schritt im "Weißbuch Energieeffizienz" konkretisiert werden. Das Ergebnispapier Strom 2030 benennt die Themen, die in den nächsten Jahren vordringlich angegangen werden müssen, um die Stromversorgung langfristig bezahlbar, sicher und klimafreundlich zu gestalten. Dafür gilt es, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen.