Benzin, Erdgas und Co: Sollten Tankstellen Preise in "Euro pro Kilowattstunde" ausweisen?

Zu dieser Frage äußern sich Reinhold Wurster, Vorstandsmitglied des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbandes, und Ulrich Klaus Becker, ADAC-Vizepräsident für Verkehr.

PRO: Reinhold Wurster

Reinhold Wurster, Vorstandsmitglied des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbandes e. V. Reinhold Wurster © privat

Man stelle sich vor, der Preis für Gemüse im Supermarkt würde ohne Angabe der Verkaufseinheit dargestellt und dann würden auch noch verschiedene Einheiten gemischt –Äpfel wären also zum Beispiel in „Euro pro Kilogramm“ und Birnen in „Euro pro Stück“ ausgepreist.

An Tankstellen passiert aktuell genau das – hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Erdgas und Wasserstoff sind anders als Benzin und Diesel an der Zapfsäule nicht in Litern, sondern in Kilogramm ausgepreist. In einem Kilogramm Erdgas steckt jedoch die Energie von 1,5 Litern Benzin – ein Kilogramm Wasserstoff enthält mehr Energie als 3 Liter Benzin. Die etablierte Praxis ist daher irreführend, denn die Preise der Kraftstoffe sind nicht vergleichbar.

Der Auszeichnungswildwuchs könnte wie heute bereits bei Diesel, das 14 Prozent mehr Energie enthält als Benzin und damit eine höhere Kraftstoffökonomie vorspiegelt, Autofahrer auch beim PKW-Kauf fehlleiten: Am Preismast sieht es so aus, als ob Autogas (LPG) der preiswerteste Kraftstoff wäre. Käufer könnten sich also allein deshalb für ein LPG-Fahrzeug entscheiden, obwohl LPG nicht günstiger als komprimiertes Erdgas ist. Mit den neuen Kraftstoffen Strom und Wasserstoff wird das Angebot noch einmal unübersichtlicher.

Die Preisangaben müssen also modernisiert werden. Die Europäische Kommission fordert in ihrer Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFID) eine miteinander vergleichbare, auf eine Maßeinheit bezogene Preisauszeichnung an Tankstellen.

Ich halte eine doppelte Auszeichnung für sinnvoll: Die Kilowattstunde (kWh) kennen die Verbraucher von ihrer Strom- und Gasrechnung zu Hause. Für Fahrer von Elektroautos ist sie ganz normal. Außerdem sollte der Kunde einen Hinweis erhalten, was er im aktuellen Fahrzyklus bei einem weitverbreiteten normierten Fahrzeug etwa der „Golfklasse“ pro gefahrenem Kilometer bezahlen würde. Die Maßeinheit wäre dann zum Beispiel €/100 km. So ein Vergleichspreis ließe sich auch in Vergleichsportalen im Internet und in Apps implementieren. Im Autohaus ist ein solcher Kilometerpreis bereits heute angegeben – auf dem Pkw-Label direkt am Fahrzeug.

Reinhold Wurster ist Vorstandsmitglied des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbandes e. V.

CONTRA: Ulrich Klaus Becker

Ulrich Klaus Becker ist ADAC-Vizepräsident für Verkehr.Ulrich Klaus Becker © ADAC

Ein Liter Benzin oder Diesel – darunter kann sich jeder etwas vorstellen. Die Preisangabe in Euro je Liter Benzin oder Diesel ist verständlich und verbraucherfreundlich. Dass es sich beim Kraftstoff Erdgas nicht nur um eine umweltfreundliche, sondern auch kostengünstige Alternative handelt, ist anhand des Tankstellpreises für den durchschnittlichen Autofahrer jedoch kaum erkennbar. Der Grund: Der Preis von Erdgas wird derzeit in Euro je Kilogramm angegeben. Dadurch erschwert sich ein Preisvergleich für alle, die sich noch nicht intensiv mit Erdgasautos auseinandergesetzt haben. Und genau diese Zielgruppe steht im Fokus, wenn als plakative Botschaft am Preismast eine eingängigere Einheit als das Kilogramm stehen soll.

Um den Kostenvergleich zu vereinfachen, setzt sich der ADAC für eine Preisauszeichnung ein, die transparent und gleichzeitig intuitiv zu verstehen ist. Die Angabe in "Euro pro Kilowattstunde" genügt diesen Ansprüchen nicht, denn sie ersetzt eine unklare Angabe durch eine noch komplexere: Mit Kilowattstunden als Energieangabe kann der Verbraucher allenfalls noch an seinem häuslichen Stromzähler etwas anfangen, nicht aber bei gasförmigen und flüssigen Kraftstoffen.

Mehr noch: Ein Bezug auf die Kilowattstunde würde den Preisvergleich nur dann ermöglichen, wenn auch die Preisangabe für konventionelle Kraftstoffe in dieser Einheit statt in Euro je Liter erfolgen würde. Diese komplette Umstellung des Preissystems würde dem Verbraucher neben einer Umgewöhnung auch wieder Expertenwissen abverlangen. Um objektiv zu vergleichen, müssten Lieschen Müller und Otto Normal zum Beispiel wissen, dass Verbrennungsmotoren und Elektroantrieb schon von vornherein über enorm unterschiedliche Wirkungsgrade verfügen.

Vor diesem Hintergrund hält der ADAC als Vergleichsgröße das "Äquivalent zu Liter Superbenzin" für den besten Vergleichsmaßstab, da dieses kein Vorwissen voraussetzt und einen unmittelbaren und direkten Bezug zu den bekannten konventionellen Kraftstoffen herstellt.

Ulrich Klaus Becker ist ADAC-Vizepräsident für Verkehr