Sparen auf den Stromlandstraßen

Alle reden von Stromautobahnen. Aber was bedeutet die Energiewende eigentlich für die kleineren Stromlandstraßen, also für die ländlichen Verteilnetze? Schließlich bringen sie den Strom bis zu den Endverbrauchern ins Wohnzimmer.

Bild zeigt Strommast auf dem Land© BMWi / Holger Vonderlind

Das Forschungsprojekt „PuBVerteilung“ nimmt die Verteilnetze im Zuge der Energiewende genau unter die Lupe – und hat Erstaunliches herausgefunden: Bis zu 90 Prozent der Kosten für den Ausbau ländlicher Stromnetze könnten gespart werden. Außerdem könnte der Ausbau von Verteilnetzen der Hochspannungsebene um bis zu 75 Prozent reduziert werden.

Aber der Reihe nach. Wodurch unterscheiden sich die verschiedenen Netztypen eigentlich?

Kleinere Spannungsebene, großes Potenzial

Als Stromautobahnen werden häufig die großen Übertragungsnetze bezeichnet, die den Strom über weite Strecken und manchmal über Ländergrenzen hinweg transportieren. Gemeint sind umgangssprachlich die Höchstspanungsnetze, die künftig zum Beispiel Offshore-Windstrom von der Küste bis zu den großen Verbrauchszentren in den Westen und Süden Deutschlands transportieren sollen. Doch damit der Strom auch wirklich im eigenen Wohnzimmer ankommt, wird er über die sogenannten „Verteilnetze“ an die Endkunden – wie der Name schon sagt - verteilt. Wie die Abfahrten einer Autobahn leiten sie nicht Autos, sondern Strom bis an verwinkelte Ziele.

Zu den Verteilnetzen gehören zwei Spannungsebenen: Die Mittelspannungsnetze führen oft zu gewerblichen Verbrauchern, etwa so wie die Landstraße von der Autobahn zum Einkaufszentrum. Die Niederspannungsnetze führen bis nach Hause, so wie die Gasse zur Haustür.

So weit, so grundlegend. Eines wird sich durch den Ausbau der erneuerbaren Energien jedoch ändern: In Zukunft liefern Verteilnetze nicht nur aus, sondern speisen immer häufiger Strom umgekehrt ins große Netz ein. Denn je mehr Ökostrom aus Solardächern und Windrädern stammt, desto mehr davon transportieren sie künftig in die entgegengesetzte Richtung. Und das nicht zu knapp: Die Stromnetze auf dem Land sind diejenigen, die am meisten Strom aus dezentralen Photovoltaik-, Windenergie- oder Biogasanlagen aufnehmen müssen. Zudem müssen sie Schwankungen aushalten, denn bei Flaute fließt kein Windstrom und etwa bei Wolken kein Sonnenstrom.

Mit anderen Worten: Die Verteilnetze stemmen eine enorme Aufgabe im Zuge der Energiewende. Deswegen müssen auch sie fit dafür gemacht werden.

Bis zu 90 Prozent Kosten sparen

Das Projekt „PuBVerteilung“ hat Folgendes herausgefunden: Wenn neue Technologien eingesetzt werden, wird der Ausbau der Verteilnetze günstiger. Mehr als 90 Prozent der Ausbaukosten können gespart werden, wenn die Maßnahmen intelligent zusammenspielen. Vielversprechend sind insbesondere diese vier Technologien:

  • „Regelbare Ortsnetztransformatoren“: Sie ermöglichen, wie herkömmliche Transformatoren auch, den Übergang des Stroms von einer Netzspannungsebene in eine andere. Allerdings schalten sich herkömmliche Transformatoren ab, wenn die Spannung zu hoch ist – zum Beispiel wenn Solarkraftwerke viel einspeisen und die Sonne stark scheint. Die neuen Transformatoren können Spannungsänderungen in einem bestimmten Rahmen aushalten.
  • „Einzelstrangregelungen“ können etwa durch einspulige Transformatoren realisiert werden. Sie helfen, die Spannung entlang langer Leitungen, an denen viele dezentrale Anlagen angeschlossen sind, zu halten. Dieser Netztyp ist vor allem in ländlichen Gegenden häufig anzutreffen.
  • Das „statische Einspeisemanagement“ senkt automatisch die Leistung angeschlossener dezentraler Anlagen auf einen bestimmten, festen Wert – egal wie stark der Wind weht oder die Sonne scheint. Die Spitzenleistung wird dadurch abgeschnitten, und der Netzbetrieb wird vorhersehbarer.

Bei der „dezentralen Netzautomatisierung“ werden an wichtigen Punkten des Stromnetzes spezielle Messgeräte installiert. Damit kann die Einspeisung kontrolliert werden.

Ein Handbuch für den Netzausbau

„PuBVerteilung“ ist übrigens die Abkürzung für „Neue Planungs- und Betriebsgrundsätze für ländliche Verteilungsnetze als Rückgrat der Energiewende“. Es ist ein Projekt der Bergischen Universität Wuppertal, genauer gesagt vom Lehrstuhl für Elektrische Energieversorgungstechnik. Partner sind die Siemens AG sowie die Netzbetreiber Avacon AG und Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom mbH. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert PuBVerteilung mit rund 650.000 Euro über einen Zeitraum von drei Jahren.

Im kommenden Jahr wollen die Projektpartner ein Planungs- und Betriebshandbuch bereitstellen, das Netzbetreibern bei der Planung des Netzausbaus helfen soll.