kontrovers
Machen uns erneuerbare Energien unabhängiger von Importen fossiler Energieträger?

Zu dieser Frage äußern sich Dr. George Milojcic, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Braunkohle Industrie Vereins (DEBRIV), und Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands WindEnergie.

PRO - Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands WindEnergie

Hermann Albers© BWE / Silke Reents

Noch werden 71 Prozent unseres Energiebedarfs durch Importe abgedeckt. 2013 mussten 98 Prozent des Erdöls, 90 Prozent des Erdgases, 87 Prozent der Steinkohle und 100 Prozent des Urans importiert werden. Das macht uns abhängig von steigenden Weltmarktpreisen, Krisen und Konflikten. Die Zukunftsinvestitionen in erneuerbare Energien stärken dagegen die Wirtschaftskraft vor Ort. Sie fließen nicht ins Ausland ab. Zudem profitieren Handwerk und Mittelstand in der Region, weil sie die Anlagen bauen, warten und betreiben.

Der kontinuierliche Ausbau der Erneuerbaren befreit unser Land aus einer unguten Abhängigkeit. Insgesamt sparten die Erneuerbaren 2012 schon 10 Milliarden Euro an Energieimporten. Dieser Wert steigt. Denn während 2012 23,6 Prozent des Brutto-Inlandsstromverbrauchs durch Erneuerbare-Energien-Anlagen abgedeckt werden konnten, stieg deren Beitrag im ersten Quartal 2014 auf rund 27 Prozent. Wind an Land ist hier der wichtige Leistungsträger, auch weil moderne Windkraftanlagen inzwischen einen wesentlichen Beitrag zur Netzstabilität und Frequenzsicherung leisten.

Der stabile Zubau von Kapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien senkt gleichzeitig den Strompreis für die Industrie. Weil viele Industrieunternehmen mindestens einen Teil ihrer benötigten Strommengen an der Börse kaufen, profitieren sie von den dort sinkenden Preisen. Mittlerweile liegt der Industriestrompreis in Deutschland niedriger als in den meisten europäischen Nachbarstaaten. Hinzu kommt eine leistungsfähige Infrastruktur. Bei einem steigenden Anteil der Erneuerbaren liegen wir hinsichtlich der Versorgungsqualität weltweit an der Spitze. Während in den USA 240 Minuten im Jahr der Strom ausfällt, sind es bei uns nicht einmal 15 Minuten.

Deutschland tut gut daran, den Ausbau der Erneuerbaren mutig fortzusetzen. Schon mittelfristig nutzt dies unserer Volkswirtschaft. Die Energiewende wird mehr und mehr zum Innovationstreiber, stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und spart teure Energieimporte. Statt zu zögern, sollte die Politik sich deshalb den Herausforderungen stellen: Der brachliegende C02-Zertifikatehandel ist wiederzubeleben, ein fairer Strommarkt muss Impulse für Speichertechnologien geben und sicher brauchen wir auch einen gut geplanten und langfristig abgesicherten Ausstieg aus der Kohleverstromung.

CONTRA - Dr. George Milojcic, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Braunkohle Industrie Vereins (DEBRIV)

Dr. George Milojcic, DEBRIV© DEBRIV

Wer die Geschichte der Stromversorgung analysiert, erkennt Zäsuren, die zu Neuorientierungen geführt haben. Beispielsweise die Ölkrise in den 70er Jahren. Damals wurde entschieden, im Stromsektor auf Kohle und Kernenergie zu setzen, um diesen lebenswichtigen Bereich von den Risiken der Öl- und Gasversorgung unabhängig zu gestalten. Entsprechend bildeten die Kohlenstromerzeugung mit Anteilen zwischen 40 und 55 Prozent sowie die Kernenergie mit Anteilen zwischen 23 und 31 Prozent bis 2010 die verlässlichen Säulen einer sicheren und wettbewerbsfähigen Stromversorgung in Deutschland.

Unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe in Fukushima hat Deutschland im Jahr 2010 entschieden, die Nutzung der Kernkraft schnell zu beenden. Der Ausstieg ist bisher erst zu zwei Fünftel erfolgt. Bis 2022 müssen noch rund 100 Terrawattstunden (TWh) oder etwa 15 Prozent des Stromverbrauchs ersetzt werden, die heute aus Kernkraftwerken stammen.

Es gibt große Erfolge beim Ausbau der erneuerbaren Energien, aber die Kosten sind stark gestiegen. Die Integration volatiler erneuerbarer Erzeugung in das Stromsystem erweist sich als schwierig und bekanntlich ist auch der Netzausbau umstritten und teuer.

Die Erwartungen in die erneuerbaren Energien sind sehr hoch. Ihnen wird die Kraft zugeschrieben, alle Energieprobleme alsbald lösen zu können. Die bisher gesammelten Erfahrungen sprechen dafür, den Prozess stärker zu strukturieren. Die von der Bundesregierung festgelegten Ausbauziele berücksichtigen das. Für die Braunkohle bedeutet das ein Mehr an Planungssicherheit. Ein Beleg hierfür ist die Aussage im Koalitionsvertrag: „Die konventionellen Kraftwerke (Braunkohle, Steinkohle, Gas) als Teil des nationalen Energiemixes sind auf ab-sehbare Zeit unverzichtbar.“

Man könnte den Ausstieg aus der Kernenergie als kleine Energiewende bezeichnen. Das ist schon eine Mammutaufgabe. Im Jahr 2022 wird ein mit heute vergleichbares großes Marktpotenzial für konventionelle Kraftwerke bestehen. Bis dahin werden die erneuerbaren Energien uns nicht unabhängiger von Importen fossiler Energieträger machen. Braunkohle ist ohnehin eine heimische Energiequelle mit einem Anteil von rund 26 Prozent an der inländischen Stromerzeugung.